Die Literaturseite von Eckart Winkler
Interview mit Herrn Dr.K über den China-Besuch des Bundeskanzlers

 

Frage: Herr Dr.K, die Chinareise von Bundeskanzler Schröder in der letzten Woche hat für einigen Wirbel gesorgt. Wie stehen Sie dazu?

Herr Dr.K: Ja, in der Tat. Und die Diskussionen sind noch nicht verhallt. Grundsätzlich gibt es hier drei Aspekte.

Frage: Und die wären?

Herr Dr.K: Zum einen die auf den ersten Blick harmlose Frage, ob man mit China überhaupt Geschäfte machen will. Allein diese Frage hat schon eine gewisse Brisanz. Dann die Frage, ob es denn ausgerechnet ein Atom-Geschäft sein muß, wo doch der Atomausstieg einer der Kernpunkte rot-grüner Politik ist. Und schließlich die angebliche deutsche Befürwortung der "Ein-China-Politik".

Frage: Fangen wir mit dem ersten an.

Herr Dr.K: Ja. Fragen wir doch einfach mal: Warum sollte man mit China keine Geschäfte machen? Diese Frage hat sich Mitte der neunziger Jahre auch der damalige Bundeskanzler Kohl gestellt und ist in das Land der Mitte gereist. Er hat daraufhin eine scharfen Gegenwind aus Richtung seiner politischen Gegner zu spüren bekommen. Der Zusammenarbeit mit einem Schurkenstaat wurde er bezichtigt und vieles mehr.

Frage: Das bezog sich aber doch auf seinen Truppenbesuch.

Herr Dr.K: Auch, aber nicht nur. Das Interessante ist nur, daß seine damaligen Kritiker das heute ganz anders sehen.

Frage: In China hat sich seitdem vieles geändert.

Herr Dr.K: Vieles, aber nicht immer das Richtige. Die Menschenrechts-Situation ist nach wie vor sehr verbesserungswürdig. Folterungen sind an der Tagesordnung, ebenso nicht nachvollziehbare Todesurteile. Ich erinnere auch an die Unterdrückung von Minderheiten in Tibet und anderen Landesteilen.

Frage: Es ist also eine moralische Frage, ob man mit einem solchen Land wirtschaftliche Beziehungen pflegen will.

Herr Dr.K: So sehe ich es auch. Aber auch hier sind die Sichtweisen vielfältig.

Frage: Wieso?

Herr Dr.K: Nun, man könnte zum einen fragen, mit wem man denn überhaupt guten Gewissens Handel treiben dürfte, wenn man einen moralisch hohen Standard ansetzt.

Frage: Da würden sicher einige Länder und damit einiger Profit wegfallen.

Herr Dr.K: Mit Sicherheit. Dem könnte man allerdings entgegenhalten, daß sich durch den Dialog mit solchen Ländern auch einiges im Land selbst ändern könnte.

Frage: Wie stellen Sie sich das denn vor?

Herr Dr.K: Nun, der Aufbau von Wirtschaftsbeziehungen ist sicher nur der erste Schritt. Wie man am Beispiel der Türkei sieht, nimmt der Druck im Laufe der Zeit zu, auch in Menschenrechtsfragen etwas zu unternehmen. Die Türkei will nämlich in die EU.

Frage: China will aber nicht in die EU.

Herr Dr.K: Wir reden hier im Konjunktiv und demzufolge nur von möglichen Entwicklungen. Schön wäre, wenn sich etwas ändern würde. Aber das braucht seine Zeit. Aber betrachten Sie es doch anders herum. Bliebe China isoliert, würde sichdann etwas ändern?

Frage: Wohl eher nicht. Aber lassen Sie uns mal zum zweiten Punkt kommen.

Herr Dr.K: Auch das konkrete Projekt ist brisant, es geht ja bekanntermaßen um Atomtechnik. Die einen sagen ja, China ist bereits Atommacht, da stellt es kein Problem dar, eine solche Atomanlage zu verkaufen.

Frage: Das hört sich doch plausibel an.

Herr Dr.K: Ja sicher. Allerdings muß ich hierzu sagen, daß ich beileibe kein Atomexperte bin. Ich würde mir diese Unbedenklichkeit doch eher von Fachleuten bestätigen lassen, ehe ich mich zu solch einer Aussage hinreißen ließe.

Frage: Was meinen Sie da genau?

Herr Dr.K: Ich meine die Frage, ob hier eine militärische Nutzung ausgeschlossen ist. Dies wäre mir als Politiker wichtig, wenn ich darüber zu befinden hätte.

Frage: Ich denke, das ist bereits abgeklärt?!

Herr Dr.K: Eine eindeutige und klare Aussage habe ich noch nicht vernommen. Warten wir also ab. Wichtig ist aber auch der zweite Punkt, und der ist innenpolitisch.

Frage: Ich dachte, es geht um Außenpolitik?!

Herr Dr.K: Jede außenpolitische Sache hat auch einen innenpolitischen Aspekt. Die Frage lautet: Wie verkaufe ich es im Inland? Und vor allem: Wie verkaufe ich es meiner Partei und meinem Koalitionspartner?

Frage: Die Grünen sind ja nicht sehr erfreut über diese Sache.

Herr Dr.K: Das ist sehr zurückhaltend ausgedrückt. Die Grünen versuchen, den Handel mit aller Macht zu unterbinden. Und das kann ich auch verstehen. Einer der Kernpunkte rot-grüner Politik ist ja bekanntlich der Atomausstieg. Und einer der Kernpunkte grüner Politik und grüner Ideologie ist die Beendigung jeglicher Nutzung der Atomenergie, zivil oder militärisch.

Frage: Wäre es da nicht sogar erstrebenswert, diese unliebsame Plutoniumfabrik endlich los zu sein?

Herr Dr.K: Natürlich will man sie los sein, aber nicht so. Atomenergie ist keine nationale, sondern immer eine internationale Frage. Unfälle in Atomkraftwerken wirken sich nie lokal, sondern immer global aus, wie man 1986 an Tschernobyl gesehen hat. Insofern ist es doch keine Lösung, diese Fabrik einfach an ein anderes Land zu verkaufen. Wenn es dort einen Unfall gibt, würde uns das ebenso betreffen, als wenn es in Hanau passieren würde. Vielleicht nicht ganz so unmittelbar, aber die Folgen bekämen wir auch hier zu spüren. Ganz sicher.

Frage: Welchen Sinn hat denn dann der deutsche Atomausstieg überhaupt, wenn alle anderen Länder munter mit der Atomkraft weitermachen?

Herr Dr.K: Diese Frage ist wirklich berechtigt. Letztlich kann man ihn nur als Vorbild für andere Länder begreifen, die sehen: Deutschland hat seine Atomkraftwerke stillgelegt und deckt trotzdem seinen Energiebedarf ohne Probleme aus anderen Energiequellen. Wenn das dann so funktioniert.

Frage: Davon sind die Grünen überzeugt.

Herr Dr.K: Ja. Und gerade deswegen dürfen sie in dieser Sache nicht nachgeben. Ich bin aber gespannt. Sie haben in der Vergangenheit mehrfach ihre Überzeugung über Bord geworfen, um ihre momentane Macht zu erhalten. Das hat sie jedesmal eine Menge Wähler und Mitglieder gekostet. Am besten für sie wäre es, wenn sie das Geschäft auf juristischem Wege verhindern könnten. Wenn nicht, wird es spannend.

Frage: Wie lautet Ihre Prognose.

Herr Dr.K: Ich habe keine. Ich weiß nur: Wenn ich Mitglied der Grünen wäre, würde ich spätestens bei Zustandekommen des Geschäfts meinen Austritt erklären. Es würde von der Größe der grünen Partei zeugen, wenn sie in dieser Sache keinen Milimeter nachgäben. Und das auch angesichts einer erneuten Rücktrittsforderung von Herrn Schröder.

Frage: Wie sieht es denn mit dem dritten Punkt aus, der "Ein-China-Politik"?

Herr Dr.K: Der ist mir ein völliges Rätsel. Herr Schröder sagt, weil China immer die deutsche Einheit unterstützt hat, unterstützt Deutschland nun die "Ein-China-Politik" Der Volksrepublik. Herr Schröder soll mir erst mal erklären, was China wirklich gemeint hat. Mir ist eine Unterstützung der deutschen Einheit nicht bekannt. Und wenn ja, in welcher Form hätte Peking diese gerne gesehen?

Frage: Bestimmt nicht ein marktwirtschaftlich orientiertes Gesamt-Deutschland, das überdies Mitglied im westlichen Verteidungsbündnis ist...

Herr Dr.K: Nein, da soll Herr Schröder noch mal nachfragen. Da hat er bestimmt etwas falsch verstanden. Na ja, und selbst wenn es so gewesen sein sollte: Selbst dann müssen doch sachliche Gründe für eine Vereinigung Taiwans mit der Volksrepublik sprechen und nicht das, was früher mal gewesen ist. Und diese sachlichen Gründe muß uns Herr Schröder mal aufzählen.

Frage: Die habe ich auch noch nicht gehört.

Herr Dr.K: Weil es sie nicht gibt. Ganz im Gegenteil. Taiwan ist der einzige Teil Chinas, der frei zu nennen ist. Über die Menschenrechtssituation in der Volksrepublik haben wir bereits gesprochen. Und Herr Schröder möchte allen Ernstes, daß die Taiwanesen wieder unter die Fuchtel Pekings kommen? Weiß er überhaupt, was er da sagt?

Frage: Sie denken, er hat sich das vorher nicht überlegt?

Herr Dr.K: Dafür spricht wenig. Für den Fall einer Unabhängigkeitserklärung Taiwans verspricht die Volksrepublik eine Militär-Invasion. Unterstützt Herr Schröder das auch?

Frage: Das doch wohl nicht.

Herr Dr.K: Ich möchte ihm zugute halten, daß er sich zu dieser Äußerung hat hinreißen lassen, ohne sich die Konsequenzen auszumalen. Dennoch wäre es besser gewesen, einfach zu schweigen. Niemand hat ihn gezwungen, etwas zu diesem Thema zu sagen. Das zumindest sollte seine Lektion für die Zukunft sein.

Frage: Herr Dr.K, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

 
Eckart Winkler, Bad Nauheim, 10.Dezember 2003, www.eckart-winkler.de

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