Und dies ist unser Ziel: Der Großvenediger
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Rundherum und hinauf auf den Großvenediger, so lautet das Motto der Hochtour,
die ich bei der Bergschule OASE-Alpin gebucht habe. Der Großvenediger,
neben dem Großglockner zu den bekanntesten Bergen Österreichs zählend,
ist ein begehrtes und lohnendes Gipfelziel. Eine knappe Woche werden wir also unterwegs
sein, um uns durch verschiedene andere Touren langsam zu akklimatisieren und
schließlich gegen Ende der Woche auf seinem Gipfel zu stehen.
Nicht nur wird also die Frage zu klären sein, ob und wie wir hinauf- und wieder
hinunterkommen werden. Nein, spannend sicher auch die Frage, wie er zu seinem Namen
kam. Sollte von seinem Gipfel wirklich Venedig zu sehen sein? War ein großer
Bürger Venedigs der Erstbesteiger? Oder welche Geheimnisse stecken sonst dahinter?
Anreise und Eingewöhnungstour
Ich habe mich für die Anreise mit der Deutschen Bahn entschieden. Mein Wunschtermin
am Samstag war schon ausverkauft, so mache ich mich bereits am Freitagabend auf den Weg.
Auch für diesen Zug war leider kein Platz im Liegewagen mehr zu bekommen. So quäle ich
mich sitzenderweise in Richtung Österreich. Immerhin schon mal eine gute Übung für den
Komfortverzicht, der mich auf den Hütten notwendigerweise erwarten wird.
Langweilig wird es auf dieser Fahrt jedenfalls nie. Wenn man schon mal nicht schlafen
kann, sorgt die Freiwillige Feuerwehr Hannover mit ihrem Betriebsausflug bestens für
Stimmung. Und das bis spät in die Nacht.
So finde ich mich also am Samstag im Morgengrauen in Salzburg wieder. Das Wetter ist mäßig.
Sollte die seit zwei Tagen andauernde Schönwetterperiode schon beendet sein? Es ist bedeckt,
und es nieselt. Umsteigen in Schwarzach-St.Veit und in Zell am See.
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Deswegen kommen die meisten Touristen nach Krimml: Die berühmten Wasserfälle.
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Die letzten 50 km bis Krimml erledigt die Pinzgau-Bahn, eine Schmalspurbahn abenteuerlichster
Art. Stoßdämpfer sind nicht vorhanden, intensivste Berührung mit den Gegebenheiten der
Strecke ist garantiert. Schön, dass es so etwas noch gibt! Unschön allerdings das Wetter.
Wir fahren geradezu in eine Wolkenwand hinein, es regnet in Strömen.
Pünktlich ist die Bahn, pünktlich auch der Bus für die letzten 3 km ins Ortszentrum.
Krimml ist ein kleiner Ort, der viel von seiner Ursprünglichkeit bewahrt hat. Keine Disco,
kein Parkhaus, kein Nachtclub. Meine Pension ist schnell gefunden, vom Balkon habe ich einen
schönen Blick auf die Krimmler Wasserfälle.
Das Wetter ist jetzt etwas besser geworden, und ich habe noch einen halben Tag Zeit. Da
bietet sich eine kleine Eingehtour auf den Plattenkogel an, den angeblich liebsten
Aussichtsberg der Krimmler. Der Weg führt über die Schönmoosalm auf die Breitscharte und
dann auf dem Bergrücken bis zum Gipfel. Ist gut ausgeschildert und kaum zu verfehlen.
Einzige Unwägbarkeit sind eher die Kühe, an denen man in geringem Abstand vorbei muss.
Aus der Nähe betrachtet sind das doch recht gewaltige Tiere. Hoffentlich vergessen die
nicht mal, dass sie Pflanzenfresser sind!
Nach zwei Stunden und knapp 1000 Höhenmetern bin ich oben. Die Sicht ist erwartunsgemäß
bescheiden. Insbesondere von unseren für die folgende Woche anvisierten Gipfelzielen ist
leider überhaupt nichts zu sehen. Krimml taucht wechselweise im Nebel unter und aus diesem
auf. Trotzdem insgesamt eine nette und nicht zu schwere Wanderung für den Anfang.
Erster Tag: Aufstieg Warnsdorfer Hütte
Unterwegs auf dem historischen Wasserfallweg.
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Die Pension bietet ein reichhaltiges Frühstücksbüffet, welches ich auch umfassend nutze.
Wer weiß, wie das auf den Hütten aussieht. Heute geht die gebuchte Tour los, bis zum Treffpunkt
muss ich noch ein paar Stunden totschlagen. Das Wetter ist wie ausgewechselt, die Tankstelle
sorgt an diesem heißen und wolkenlosen Sonntagmorgen netterweise für Getränke. Ansonsten ist
der Ort nahezu ausgestorben.
Ab 13 Uhr laufen dann die ersten Leute mit Wanderschuhen und größeren Rucksäcken herum, das sind
dann wohl die anderen Teilnehmer. Treffpunkt ist das Hotel Krimmlerfälle, aber in diesem
beschaulichen Flecken kann man sich ohnehin nicht verfehlen. Bis 14 Uhr sind wir ziemlich komplett.
Insgesamt sind es zehn Teilnehmer und zwei Bergführer, nämlich Karl und Yvonne. Die sorgen dann
gleich für eine Verdoppelung des Rucksackgewichts, indem sie jedem vertrauensvoll Steigeisen,
Pickel sowie Hüft- und Brustgurt anvertrauen. Und wer sein derart beschwertes Gepäck zu Beginn
noch nicht tragen möchte, kann es gleich wieder abgeben. Ein Teil des heutigen Weges wird nämlich
mit dem Taxi zurückgelegt, und das transportiert auch die Rucksäcke.
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Hier ist das Krimmler Achental zu Ende. Erster Blick auf die faszinierende Gletscherwelt.
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Wir gehen auf dem historischen Wasserfallweg. Er hält sich links der Krimmler Wasserfälle, das ist
die Haupt-Sehenswürdigkeit hier. In drei Stufen von insgesamt 380 Metern lässt sich das Wasser
auf Platz eins der europäischen Hitliste fallen. Sagen zumindest die Krimmler. Die Norweger sind da
anderer Meinung. Interessant ist auch die Tatsache, dass nachts meist doppelt so viel Wasser hier runterkommt
wie tagsüber. Das hängt damit zusammen, dass tagsüber mehr Wasser vom Gletscher abschmilzt, es
dann aber bis in die Nacht dauert, bis es am Wasserfall angekommen ist. Schade, dass es nachts dunkel ist. Das
wäre ein Schauspiel!!
Auf dieser Seite der Wasserfälle sind die Ausblicke auf selbige nicht ganz so gut wie drüben,
dafür bewegt man sich hier auf historischem Grund. Ausblicke haben die historischen Wanderer wohl
nicht sehr interessiert. Dafür ist es wunderbar schattig. Außerdem entgeht man den habgierigen
Wegelagerern, die drüben von jedem für die Benutzung des Weges eine Gebühr kassieren.
Oben angekommen, erwartet uns das Taxi, das uns mit Sondergenehmigung bis ans Ende des Tals fährt.
Der Fluss, der dieses Tal geformt hat, ist die Krimmler Ache, das Tal demzufolge das Krimmler Achental.
Eigentlich ist es viel zu schön, um hier schnell durchzufahren. Aber wir wollen noch bis zur
Warnsdorfer Hütte, und der Marsch von Krimml würde einen ganzen Tag dauern. Wir hätten
uns also nicht um 14 Uhr, sondern um 8 Uhr treffen müssen.
Unser erstes Quartier, die Warnsdorfer Hütte.
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Am Ende des Tals erhalten wir schon einen Vorgeschmack auf das, was uns in dieser Woche erwartet.
Ein erster Blick auf die faszinierende Gletscherwelt der Venediger-Gruppe. Aber noch sind wir
gar nicht am Tagesziel. Es steht noch der Aufstieg zur Warnsdorfer Hütte bevor. Und da fangen wir
auch gleich mal an. 500 Höhenmeter auf einem für das Taxi nicht mehr befahrbaren Bergpfad sind es.
Gegen 18 Uhr treffen wir auf der Hütte ein, 2336 m hoch. Nach dem Abendessen eröffnet uns Karl,
dass unsere Rucksäcke ausnahmslos zu schwer sind. Kein Wunder, dafür hat er ja selbst gesorgt.
Dann zeigt er uns, was seiner Meinung nach dabei sein sollte. Alles andere ist Luxus.
Seine Rede zeigt Wirkung. Alle überzähligen T-Shirts, Socken, Schminkkoffer und Laptops werden in
einen großen Sack gepackt und mit der Materialseilbahn nach unten geschickt. Am Ende der Woche
sollen wir sie in der Tourist-Information in Krimml abholen können. Oder auf dem Flohmarkt von
Zell am See...
Zweiter Tag: Gamsspitzl, Maurer Törl, Großer Geiger, Essener-Rostocker Hütte
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Hier gehts zum Gamsspitzl.
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Heute ist es dann so weit. Nach dem gestrigen Eingewöhnungstag wird es richtig zur
Sache gehen. Gamsspitzl, Großer Geiger und die erste Gletscherbegehung. Deswegen
müssen wir auch schon um 6 Uhr aufstehen. Die Nacht war erwartungsgemäß nicht so toll.
Wie sollte es auch sein mit zehn Leuten und mindestens drei Schnarchern in einem Raum?
Dafür ist das Frühstück überaus gut und reichlich.
Um 7.30 Uhr ist Abmarsch. Immer mal durch und über Geröll, aber schon ziemlich steil
zu dieser frühen Uhrzeit. Das Wetter ist sehr gut, kaum ein Wölkchen zu sehen. Das
Gamsspitzl mit 2888 m ist bald erreicht, der erste Gipfel der Tour. Bis hierhin allerdings
keinerlei Schwierigkeit. Kurzer Abstieg auf der anderen Seite, und schon beginnt der
Gletscher, hier das Obersulzbachkees. Das Wort Kees ist in dieser Gegend übrigens
gleichbedeutend mit Gletscher.
Der Weg zum Großen Geiger sieht schon etwas anders aus.
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Zum ersten Mal ziehen alle die komplette Ausrüstung an, was natürlich geraume Zeit
in Anspruch nimmt. Karl und Yvonne helfen nach Kräften. Jetzt geht es erstmal über
den Gletscher bis zum Maurer Törl. Dies ist ein Übergang, über den man auf die andere
Seite der Bergkette gelangt. Aber nicht, dass jemand denkt, dies sei der Übergang für
Faule. Nein, das Maurer Törl ist 3108 m hoch.
Kurze Pause und die Frage, wer will denn mit auf den Großen Geiger??! Sieben sind es,
die anderen steigen mit Yvonne auf direktem Weg zur Hütte ab. Leider müssen auch wir
zunächst mal absteigen, das verlangt die Route. Schon bald geht es aber wieder bergauf.
Bei einem andauernden Wechsel von Schnee und Geröll gegen Ende sind wir um 14 Uhr
auf dem Gipfel, 3360 m.
Und von hier sieht man ihn schon, den Großvenediger. Da liegt er in seiner ganzen Pracht.
Etwas weiter der Großglockner. Nur nach Süden ist alles in Wolken, ein paar Gipfel
schauen hindurch. Ein wirklich tolles Panorama.
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Der Blick von oben ist Wahnsinn!!
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Spannend wird der Abstieg. Wir geraten in ein Feld von Gletscherspalten, es ist
aber nicht wirklich gefährlich. Das Eis ist steinhart, und es ist an seiner dunklen
Farbe gut zu erkennen. Der Schnee gibt dafür nach, aber der ist eben schneeweiß.
Nach dem Ende des Gletschers sind wir noch lange nicht an der Hütte. Der Weg zieht
sich wie Kaugummi. Ich bin wahrscheinlich nicht als einziger schon heftig am Fluchen,
wann denn die Hütte zumindest mal in Sichtweite kommt. Ich werde dauernd schneller,
weil ich ankommen will. Endlich, um 17.30 Uhr, ist sie da, die Essener-Rostocker Hütte, 2208 m.
Kaum zu glauben, dass sie zur Zeit ihres Baus direkt am Gletscher lag. Aber das ist
mir jetzt wirklich egal, jetzt brauche ich erstmal ein Hefeweizen. Und Abendessen
gibt es um 19 Uhr.
Dritter Tag: Östliche Simonyspitze
Dort wollen wir hin: Rechts die östliche Simonyspitze, links die westliche.
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Heute die Tour auf die Östliche Simonyspitze. Die Simonyspitze ist nach dem
Tschechen Friedrich Simony benannt, der allerdings nicht der Erstbesteiger ist.
Er hatte sich seine Verdienste eher im Dachstein erworben, aber vielleicht hatten
dort schon alle Berge einen Namen??! Neben der östlichen gibt es natürlich auch
eine westliche Simonyspitze, aber die ist schwieriger zu besteigen.
Am Abend werden wir auf die Essener-Rostocker Hütte zurückkehren, das bedeutet
leichtes Gepäck für den Tag. Super, ich hole alles aus meinem Rucksack heraus,
was ich nicht brauche, und verteile es auf meinem Bett. Schränke und Regale
sind nämlich Mangelware.
Wie gestern geht es um 7.30 Uhr los. Der Bergpfad windet sich schon bald recht
steil in die Höhe. Das Wetter ist erneut fantastisch und lässt keinen Wunsch
offen. Wir erreichen ein Plateau und machen Pause. Hier beginnt der Gletscher,
der hier natürlich Simonykees heißt. Unterbrochen nur von wenigen kurzen
Geröllpassagen gelangen wir auf diesem Gletscher bis zum Gipfel, 3488 m.
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Und hier sitzen wir schon auf dem Gipfelgrat. Zurücklehnen wäre fatal.
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Nicht dass man nun das Gepäck abschnallen, sich ans Gipfelkreuz anlehnen und die
Füße hochlegen könnte. Nein, ein scharfer Grat bildet den Gipfel, nach beiden
Seiten geht es steil bergab. Wir bleiben angeseilt, und wie die Hühner sitzen wir
auf der Stange. Niemand will sich hier unnötig bewegen, geschweige denn herumlaufen.
Nur Karl muss für jeden sein persönliches Gipfelfoto machen. Er als Bergführer
bewegt sich hier so, als würde er Erinnerungsfotos vor Schloss Neuschwanstein schießen.
Der Abstieg bringt für uns eine ganz neue Erfahrung. In den flacheren Passagen
mit ausreichender Schneeauflage benötigen wir die Steigeisen gar nicht. Hier
können wir auf unseren Schuhen hinabrutschen. Das ist dann wie Skifahren ohne
Skier. Ohne die Bretter ist es natürlich ein bißchen schwieriger, weil man
Unebenheiten nicht so leicht ausgleichen kann. Im Notfall kann man den Pickel
aber als Bremse benutzen, auf jeden Fall macht das so einen Riesen-Spaß!!
Und so steil geht es wieder hinunter.
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Gegen 16 Uhr sind wir zurück. Das Wetter ist immer noch so schön, dass man
draußen sitzen kann. Abendessen gibt es diesmal schon um 18 Uhr, da wir
offenbar als erste Gruppe eingetroffen sind. Gegen 22 Uhr gehe ich aufs
Zimmer. Leider sind immer noch alle meine Sachen auf dem Bett verteilt, und
im Zimmer ist es dunkel, da einige schon ins Bett gegangen sind. Ein
Einzelzimmer wäre doch nicht so schlecht. Ich stopfe alles, was ich finde,
einfach in den Rucksack, um es morgen wiederzufinden. Hoffentlich ist
es der richtige...
Vierter Tag: Übergang Johannishütte, Aufstieg Defreggerhaus
Genau genommen beginnt heute schon der Aufstieg auf den Großvenediger. Kein
anderer Berg steht auf dem Programm. Über das Türmljoch wollen wir vom Maurer
Tal, in dem sich die Essener-Rostocker Hütte befindet, ins Dorfer Tal zur
Johannishütte. Von dort geht die Route weiter zum Defreggerhaus, wo wir dem
Gipfel des Großvenediger schon ziemlich nahe sind.
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Ein Tag ohne Gletscher: Auf dem Schweriner Höhenweg.
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Abmarsch ist um 8 Uhr. Wir folgen dem sog. Schweriner Höhenweg in östlicher
Richtung. Ein ganz normaler Bergweg mit viel Geröll. Ein paarmal sind Murmeltiere
zu sehen, noch öfter zu hören. Wir kommen am Türmljoch an. Es liegt auf 2790 m,
wir haben also fast 600 Höhenmeter gutgemacht. Die Passhöhe ist mit tibetischen
Fahnen und einer ganzen Reihe an Steinmandln versehen.
Bald geht es an den Abstieg. Schon nach kurzer Zeit ist unten die Johannishütte zu
sehen. Gegen 11.30 Uhr sind wir da. Die Hütte auf 2121 m bietet alle Annehmlichkeiten.
Sie ist nämlich per Auto zu erreichen und kann daher bequem beliefert werden. Auf
dem Defreggerhaus sollen die Portionen nicht ganz so reichlich sein . Deshalb
schlagen jetzt bei der Essensbestellung alle ganz gut zu.
Gegen 12.45 Uhr geht es weiter. Da kein Gletscher auf dem Weg liegt, darf jeder
sein Tempo gehen, und die Gruppe fällt bald auseinander. Obwohl es rund 850
Höhenmeter sind, empfinden wir das gar nicht als so anstrengend. Mittlerweile sind
wir alle wohl ganz gut akklimatisiert. Nur das letzte Steilstück vor der Hütte ist
noch einmal eine Herausforderung. Aber zu einfach soll es ja, bitteschön,
auch nicht sein!
Ein Hauch von Himalaya: Tibetische Gebetsfahnen auf dem Türmljoch.
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Ab 14.45 Uhr kommen wir also oben an. Die Hütte liegt auf 2962 m, das ist exakt
die Höhe der Zugspitze, des höchsten deutschen Bergs. Das Wetter ist herrlich,
man sitzt gerne vor der Hütte und trinkt ein Hefeweizen. Von Westen aufziehende
Wolken verflüchtigen sich immer wieder. Was bedeutet das für den morgigen Tag?
Um 18 Uhr gibt es Abendessen. Schlecht ist es ja nicht, nur die Menge ist natürlich
einer Großvenediger-Besteigung nicht angemessen. Nachschlag ist auch Fehlanzeige.
Gut, dass wir uns da unten so vollgestopft hatten! Von den Räumlichkeiten her ist
die Hütte aber gar nicht so schlecht. Wir haben zwei Fünfer-Zimmer, und die
Gasträume sind wirklich urig.
Fünfter Tag: Großvenediger, Kürsinger Hütte
Heute also der große Tag, die Besteigung des Großvenediger steht bevor. Der
Venediger-Gipfel ist mit 3674 m der höchste Punkt unserer Tour. Zur
Disposition stehende Umwege über die Schwarze Wand, das Rainer Horn etc. finden
nicht statt, weil es dafür dann doch zu kalt ist. Und wir wissen immer noch nicht,
was die Wolken von gestern zu bedeuten hatten. Wir wollen also auf direktem
Weg zum Gipfel.
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Und schon haben wir den Venediger-Gipfel im Blick.
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Die Organisation auf dem Defreggerhaus ist abenteuerlich. Als wir zum Frühstück
erscheinen, ist noch gar nichts gemacht, und man muss selbst Hand anlegen.
Trotzdem ist das ganze chaotisch. Dabei haben nur 50 übernachtet, die Kapazität
liegt bei 120. Wie soll denn das gehen??!
Am Ziel: Das Gipfelkreuz des Großvenediger.
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Um 7.30 Uhr brechen wir auf. Zunächst ein kurzes Stück bis zum Anseilplatz. Der
Himmel ist wolkenlos, aber es weht ein kalter Wind. Alle haben die Jacken und
Handschuhe an. Auf dem Gletscher geht es hoch bis zum Rainer Törl. Wir blicken
über eine weite, komplett weiße Landschaft, deren höchster Punkt der Gipfel des
Großvenediger ist. Das ist die größte zusammenhängende Gletscherfläche der Ostalpen.
Lange dauert es nun wirklich nicht mehr, da wird der Weg immer schmaler, und bald
sind wir schon fast da. Aber eben nur fast. Zwar stehen wir auf fast einer Höhe
mit dem Gipfelkreuz, dieses ist aber noch 50 m von uns entfernt. Ein schmaler
Grat trennt uns noch von ihm, an seiner engsten Stelle passen wohl nur zwei
Fußtritte nebeneinander. Und links und rechts geht es ziemlich steil bergab.
Und an dieser durchaus kritischen Stelle verhelfen wir Karl zu einer völlig
neuen Erfahrung. Zwar hatte er vorher gefragt, wer denn alles mit hinüber
wollte. Da war das ganze Ausmaß aber noch nicht zu sehen. Und so ist es demjenigen
auch nicht zu verdenken, dem beim Anblick des Grates dann doch das Herz in die
Hose rutscht und der seine Entscheidung revidieren möchte.
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Und über diesen Grat müssen wir nun noch zurück.
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Das heißt also im Klartext: Kehrtwende. Nur stehen Karl und der eine oder andere
von uns schon mitten auf dem Grat. Trotzdem drehen wir wohl oder übel um, sortieren
uns neu, und schließlich meistern fünf von zehn den Weg zum Gipfelkreuz und zurück.
So etwas hat Karl also auch noch nicht erlebt.
Was jetzt die Klärung der eingangs aufgeworfenen Fragen betrifft, so kann eigentlich
nur die erste zur Zufriedenheit beantwortet werden. Ja, wir haben es geschafft,
und so viel sei schon mal verraten, wir sind auch wieder hinuntergekommen. Ob man
Venedig von hier sehen kann, weiß ich nicht. Wir haben es nicht gesehen, was aber
nicht heißen soll, dass man es unter gewissen Umständen nicht doch mal sehen kann.
Woher der Name des Berges kommt – es wird wohl ewig im Dunkel bleiben.
Eine Menge lustiger Leute trifft man auf dem Großvenediger. Da sind zunächst mal die
lustigen Bergführer aus Prägraten, die nicht mit Seil und Pickel, sondern mit langen
Stangen unterwegs sind, so als kämen sie direkt vom letzten Stabhochsprungwettbewerb.
Dann sind da die lustigen Einzelwanderer, die denken, sie könnten hier ohne Handschuhe
und Jacke herumlaufen und die nicht wissen, wann sie ihre Steigeisen anziehen sollen,
obwohl sie schon bei jedem Schritt weiter zurückrutschen als sie vorankommen. Und
schließlich sind da die lustigen Spaziergänger in Turnschuhen, Jeans und kariertem
Hemd, deren Ziel man gar nicht so genau kennt, die aber pfeifend quer durch die
Venedigerspalten schlendern, so als dächten sie, ohne Ausrüstung wären sie viel zu
leicht, um ein Schneebrett zum Einstürzen zu bringen.
Von hier wäre es etwas schwieriger geworden: Die Nordseite des Großvenediger.
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Wir und speziell Karl und Yvonne nehmen die Venedigerspalten sehr ernst. Im letzten
Jahr soll hier eine riesige Spalte den Abstieg unmöglich gemacht haben. Bis man zur
Überquerung eine 15 m lange Leiter fest installiert hat. Nach dem letzten Winter sind
Spalte und Leiter spurlos verschwunden. Dabei ist nicht davon auszugehen, dass hier Diebe
am Werk waren...
Wir erreichen das Ende des Gletschers. Die Steigeisen ziehen wir aus, wir benötigen
sie für diese Tour nicht mehr. Für den Weg zur Hütte lassen wir uns Zeit. Wir haben
es nicht eilig, und zu schön sind die Ausblicke auf diese Welt aus Eis und Fels.
Die Kürsinger Hütte ist unser letztes Quartier dieser Woche. Komplett renoviert ist
sie, alles vom feinsten. Leider ist sie selten ausgebucht. Dabei ist das Panorama
das schönste aller Hütten, auf denen wir waren. Auch das Essen ist empfehlenswert.
Zwar ohne Nachschlag, aber mit ausreichenden Portionen.
Sechster Tag: Abstieg und Rückfahrt nach Krimml
Der letzte Tag der Tour ist gekommen, wir dürfen „ausschlafen“. Um 8.30 Uhr gehts los,
zu laufen ist nur noch ein kurzes Stück nach unten. Das ist nun wirklich kein Problem mehr.
Vielmehr denkt man sich, schade, dass es schon wieder vorbei ist.
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Und ein letzter Blick auf den Großen Geiger, der geradezu majestätisch über dem Obersulzbachtal thront.
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Das Taxi bringt uns die lange Strecke durch das Obersulzbachtal bis nach Krimml zurück.
Und tatsächlich, die am ersten Abend aussortierten Gegenstände lagern noch friedlich in
einem großen Sack in der Tourist-Information. Ein letztes gemeinsames Getränk im Hotel
Krimmlerfälle, und das wars dann wirklich.
Fazit
Eine tolle Tour in den Hohen Tauern! Das Wetter hat mitgespielt, wir haben alle Gipfelziele
erreicht. Allen voran den Großvenediger mit 3674 m Höhe. Unsere Bergführer Karl und Yvonne
haben uns sicher auf die Berge hinauf- und vor allem auch wieder heruntergeführt. Es gab keine
kritischen Situationen und keine ernsten Verletzungen.
Auch bietet die Konzeption der Tour eine große Bandbreite an Möglichkeiten. Als Anfänger
hat man die Möglichkeit, das eine oder andere Gipfelziel auszulassen. So z.B. den Großen
Geiger oder die Simonyspitze. Als konditionsschwächerer Teilnehmer kann man an verschiedenen
Stellen die Materialseilbahn der Hütten nutzen und muss den Rucksack dann nicht tragen. Und
als erfahrener Teilnehmer kann man natürlich alles mitnehmen, was das Wetter zulässt.
So kann ich diese Runde durch die Hohen Tauern auch zukünftigen Interessierten
wirklich nur empfehlen. Danke an Karl und Yvonne sowie das Team von OASE-Alpin!!