Mit der Bahn nach Zermatt - Hörnlihütte am Matterhorn -
Auf den Viertausendern Breithorn und Castor - Ein kranker Führer und sein Ersatz
Dauer: Acht Tage
Erster Tag: Anreise nach Zermatt
Das Matterhorn, das Objekt der Begierde
| | |
Eine Hochtour in den Walliser Alpen habe ich gebucht. Ein Abenteuer in Eis und Schnee.
Zusammen mit einer kleinen Gruppe soll man auf zehn Gipfeln von über 4000 m Höhe stehen.
Und das alles angesichts des wahrscheinlich berühmtesten Berges der Alpen, des Matterhorns.
Ausgangspunkt ist Zermatt.
Eine weit verbreitete Ansicht ist es, die Schweiz müßte man mit der Bahn "erfahren".
Ich nehme also den Zug und fahre über Frankfurt, Karlsruhe und Freiburg.
Der Grenzübergang nach Basel ist keiner mehr, und so anders sieht die Landschaft
bei den Eidgenossen zunächst auch nicht aus. In Bern besticht die Aare durch ihre
tiefgrüne Farbe.
Ab Thun wird es dann schön. Der Thuner See, jetzt fangen die Berge an. Steile Wände,
die schon fast sprichwörtlichen Tunnel, Dürrenmatt läßt grüßen.
In Kandersteg enden die Straßen. Autos müssen hier auf den Zug verladen werden.
Die Gipfel der Berge sind hinter dichtem Nebel verborgen. Es folgt der Lötschberg-Tunnel.
Neun Minuten dauert die Durchfahrt. Danach dürfen die Autos auf der Straße
weiterfahren, und das Wetter ist schon wesentlich freundlicher. Es folgt Tunnel um Tunnel.
Die "Erfahrung" Schweiz läßt noch auf sich warten, die Hälfte der Zeit
ist es dunkel. Dazwischen sind die Ausblicke aber nicht zu verachten.
|
Ein netter Ort ist Zermatt, aber voller Touristen
|
Brig kommt in Sicht, weit unter uns gelegen. Fast möchte man meinen, man befände
sich im Anflug auf die Stadt, in einer weiten Kurve geht es nach unten. Um 16 Uhr kommen wir an,
wir befinden uns auf 671 m Höhe.
Die Bahn nach Zermatt fährt vom Bahnhofsvorplatz los, und zwar um 16.23 Uhr.
Bald biegen wir nach links in ein Tal ein, und bald geht es auch steil nach oben.
Etwa 1000 Höhenmeter sind zu überwinden. Die Bahn erinnert mehr an eine
Straßenbahn, sie fährt entlang eines reißenden Gebirgsflusses. Hier wird
die Fahrt wirklich spektakulär, und jetzt weiß ich, was es mit der
"Erfahrung" Schweiz auf sich hat.
Täsch ist der letzte Haltepunkt vor Zermatt und Endstation für alle Autos.
Die müssen hier auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz parken, die
Insassen wie ich per Bahn zur Endstation. Zermatt ist autofrei.
Um 17.43 Uhr ist Ankunft, Zermatt ist ein einziger Touristenort. Es laufen wirklich nur
Touristen herum, man sieht keine Einheimischen. Die muß es aber auch geben,
und es sind vermutlich die, die mit den Touristen ihr Geld verdienen: In Hotels,
Gaststätten und Geschäften. Und so ganz autofrei ist das hier dann doch nicht.
Zwar dürfen benzinbetriebene Fahrzeuge hier nicht verkehren, wohl aber Elektroautos.
Da jedoch jedes Hotel hier mindestens eines hat und es Unmengen an Hotels gibt,
ist der Verkehr doch ganz beachtlich.
Das Hotel ist bald gefunden, und um 18.30 Uhr mache ich mich auf den Weg, ein bißchen
die Umgebung zu erkunden. Das Matterhorn ist nicht zu sehen. Um 20 Uhr bin ich zurück
in meinem kleinen Zimmerchen und esse zu Abend aus meinem Reiseproviant.
Zweiter Tag: Schwarzsee, Hörnlihütte
Da taucht das Matterhorn aus dem Nebel auf
| | |
Die gebuchte Hochtour beginnt erst morgen, Treffpunkt für die Vorbesprechung
ist heute um 18 Uhr. Bis dahin habe ich mir den "Berg der Berge" vorgenommen. Natürlich
nicht den Gipfel. Nein, auf einem nicht allzu schweren Wanderweg läßt sich die
Hörnlihütte erreichen, die erst den eigentlichen Ausgangspunkt für die Besteigung
des Matterhorns bildet.
Es ist neblig, immer noch habe ich den Berg nicht gesehen. Schnell ist man aus Zermatt heraus,
vereinzelt gibt es noch Hotels und Pensionen. Alles gut ausgeschildert, immer in Richtung
Schwarzsee. Dort komme ich gegen 10 Uhr an und befinde mich bereits auf 2582 m Höhe.
Ab und zu tauchen jetzt schon Berge aus der Nebelsuppe auf und offenbaren ein fantastisches
Panorama.
Weiter in Richtung Hörnlihütte. Und jetzt der erhebende Moment: Das Matterhorn ist
zu sehen. Kurz, aber immerhin. Ich jage also doch nicht nur einem Phantom hinterher.
Der Weg wird jetzt teilweise schlechter. Oft sind Geröllabschnitte zu überwinden.
Das Matterhorn kommt immer öfter aus den Wolken heraus. Dann sieht man auch schon die
Hörnlihütte. Das Panorama nach allen Seiten ist super, klar heben sich auch das
Kleine Matterhorn und das Breithorn aus der Masse der Berge hervor.
|
Auf der Hörnlihütte ist man dem Matterhorn ganz nahe
|
An einigen Stellen sind Stahltreppen und -stiege angebracht, dann ist ein kleiner Gletscher
zu überwinden. Fußspuren sind dort aber so tief eingegraben, daß keine
Steigeisen nötig sind. Und kurz vor 12 Uhr habe ich die Hörnlihütte erreicht.
Da sitzt man auf 3260 m Höhe auf der Terrasse, ißt sein Wurstbrot oder die
empfehlenswerten Rösti und sieht das Matterhorn und die ganze vergletscherte Gegend.
Es ist unbeschreiblich, das muß man erleben. Diese Augenblicke kann man nur
genießen. Es muß eben nicht immer ein Gipfel sein.
Gegen 13 Uhr der Abstieg. Zwar könnte man noch ewig hier oben bleiben, aber ich habe ja
einen Termin: 18 Uhr in Zermatt. So schlimm wie ich manche Abstiege in Erinnerung habe, ist
es gar nicht. An manchen Stellen ist es jetzt matschiger als auf dem Hinweg, so daß
man gerne einen zusätzlichen Weg durch den Schnee in Kauf nimmt.
Fantastisch ist der Blick rüber zum Breithorn
| | |
Gegen 14.30 Uhr bin ich am Schwarzsee. Nun, da das Wetter besser ist, gehe ich wirklich zum See,
der nicht besonders groß ist, aber eine einmalige Lage und eine tolle
grün-bläuliche Farbe hat. Schade nur, daß man das Matterhorn von hier nicht
sieht, das wäre das i-Tüpfelchen. Aber Breithorn und Kleines Matterhorn sind ja
auch nicht schlecht.
Die Sonne knallt jetzt unbarmherzig. Ich bleibe noch eine Weile sitzen, ehe ich mich auf die
letzte Etappe mache. Um 16.30 Uhr bin ich zurück im Hotel.
Um 18 Uhr Treffpunkt mit der Gruppe. Der Bergführer heißt Karl, insgesamt sind
es fünf Teilnehmer, drei Männer und zwei Frauen. Gar zu viele Unklarheiten gibt es
gar nicht, weil alle schon genügend Erfahrung im Trekking oder Bergwandern haben.
Materialcheck: Die Steigeisen werden durchprobiert, jeder bekommt Eispickel, Hüft- und
Brustgurt. Und schon verabschiedet sich Karl, weil er eine Erkältung im Anmarsch sieht.
Hoffentlich bleibt er gesund. Wäre schon blöd, so ohne Guide.
Dritter Tag: Breithorn
Wir sind nicht die einzige Seilschaft auf dem Weg zum Gipfel
| | |
6.15 Uhr Aufstehen, 6.45 Uhr Frühstück. Und dann, gegen 7.30 Uhr, laufen wir los
in Richtung Seilbahn. 35 Euro kostet der Spaß bis hinauf aufs kleine Matterhorn.
Zweimal Umsteigen, dann sind wir da.
Der überwiegende Teil der Leute, die hier hochkommen, sind Skifahrer, auch viele Kinder
und Jugendliche sind dabei. Die Bergstation befindet sich auf etwa 3820 m Höhe.
Der Gipfel ist ein Fels“horn“, dies ist jedoch untertunnelt. Man durchläuft nach der
Ankunft diesen Tunnel und kommt in einer Gletscherlandschaft heraus. Alles Schnee und Eis.
Skilifte gibt es hier, tatsächlich ein großes Skigebiet. Aber jetzt müssen
wir uns erst einmal die Ausrüstung anziehen. Gurte, Steigeisen, etc. Da alles noch recht
ungewohnt ist, dauert es seine Zeit.
Gegen 9 Uhr Start. Zunächst auf einem von einer Schneewalze plattgewalzten Stück,
wo uns dauernd Ski- und Snowboardfahrer überholen. Dann müssen wir links, hier endet
das Skigebiet. Das Wetter ist heute gemischt, das Matterhorn aber noch meistens zu sehen.
Das Breithorn versteckt sich häufiger hinter Wolken. Aber die Hauptsache: Es ist trocken.
Die Temperatur liegt um den Gefrierpunkt.
|
Der Gipfel des Breithorns liegt im Nebel
|
Wir müssen zunächst ein kleines Stück absteigen, dann über einen
langgeschwungenen Sattel, ehe es etwas steiler zum Gipfel geht. Viele Seilschaften sind hier
unterwegs. Durch die Zuhilfenahme der Bergbahn ist das Breithorn zum leichtesten 4000er der
Alpen geworden.
Eine letzte Trinkpause vor dem Gipfel, weiter geht es in schmaler, festgetretener Spur.
Ab und zu kommt schon mal eine Gruppe entgegen, dann weicht man kurz zur Hangseite aus.
Die Steigung beträgt hier höchstens 30 Grad. Das Tempo ist langsam genug, um sich
an die Höhe und das Gehen mit Steigeisen zu gewöhnen.
100 m unter dem Gipfel läßt sich Karl in den Schnee fallen und sagt, er kann nicht
mehr. Offenbar doch Grippe. Er werde uns jetzt noch zum Gipfel führen, dann werden wir
nach Zermatt zurück, und er wird einen Ersatzführer besorgen. Ein Schock, aber
was will man machen? Wir laufen weiter und erreichen bald den Gipfel. Unser erster 4000er
dieser Tour, so richtig kann sich aber keiner freuen.
Und nun sind wir schon oben
| | |
Wir steigen auf demselben Weg wieder ab, der Gipfel ist im ständigen Nebel. Nach
mehreren Versuchen erreicht Karl die Agentur per Handy und organisiert das Nötige.
Ein unerwarteter Beginn unserer Tour!
Es ist jetzt gegen 12 Uhr. Wir fahren für wieder 35 Euro zurück nach Zermatt.
Das Wetter ist insgesamt nicht besser geworden. Im Hotel ist nichts mehr frei, nebenan
bekommen wir aber Unterkunft. Wie gesagt, in Zermatt ist fast jedes Haus ein Hotel.
Ich laufe ein bißchen durch den Ort und dann in Richtung Sunnegga. Das wären
zwei Stunden Aufstieg, sicher zu viel für heute. Die Strecke geht durch den Wald,
nur einmal ein Aussichtspunkt mit Bank und einem großen Holzkreuz. Sonne und ein
leichter Regen wechseln sich ab. So spannend ist es nicht, wenn man kein festes Ziel hat,
ich entscheide mich für den Rückweg.
Vierter Tag: Castor
Ein gutes Stück ist es bis zum Castor
| | |
Aufstehen um 6.15 Uhr, es gibt nicht viel zusammenzupacken. Frühstück, wir lernen
den neuen Guide kennen. Massimo heißt er und ist Italiener mit bruchstückhaften
Deutschkenntnissen. Zu ähnlicher Zeit wie gestern laufen wir los und fahren erneut mit
der Bergbahn zum Kleinen Matterhorn.
Dieselbe Prozedur wie gestern, ein bißchen schneller geht das Anziehen dann doch.
Und zwischen 9 und 9.30 Uhr geht es zunächst auf demselben Weg wie gestern los. Nach einer
Viertelstunde Abzweig von der Route. Aber nach wie vor auf ausgetretener Spur. Wir gehen
unterhalb des Breithorns, das mehrere Gipfel hat und wirklich ziemlich breit ist. Dafür
ist es fast windstill.
Einmal weicht Massimo von der Spur ab, da wird es gleich ein bißchen schwieriger, weil
der Hang, den wir queren, recht steil ist. Dann kommt mal eine Gletscherspalte, etwa 50 cm breit.
Die können wir locker überspringen. Dann noch die Frage, welcher Berg überhaupt
bestiegen werden soll, Castor oder Pollux. Wir entscheiden uns für die schwierigste
Variante: Die Überschreitung des Castor. Überschreitung bedeutet natürlich:
Volles Gepäck, wir können es nicht unterwegs deponieren.
|
Eine kurze Pause vor dem Gipfelanstieg
|
Der tiefste Punkt vor dem Anstieg liegt bei geschätzten 3600 m, und nun wird es ziemlich
anstrengend. Durch die zusätzliche Nacht im Tal fehlt uns eine Akklimatisierungsnacht,
was ein zusätzliches Problem sein kann. Mit dem Tempo hat Massimo es nicht so raus.
Wenn er läuft, läuft er meist zu schnell. Und dann hält er viel zu oft an, um
uns irgendwas zu erzählen. Ein typischer Italiener eben.
Eine Pause am Steilhang. Der Eispickel wird ins Eis gebohrt, der Rucksack drangehängt.
Und weiter gehts. So langsam nähern wir uns dem Gipfel. Eine große Gletscherspalte
zieht sich unterhalb des Gipfelgrates entlang. Es gibt aber eine schmale Stelle, an der man
drübersteigen kann.
Das letzte Stück bis zum Gipfelgrat ist nicht mehr so steil. Und dann der Gipfelgrat
selbst: Der hat es in sich. Die ersten 50 m besteht die Trittfläche aus etwa 30 cm
breitem Eis, wobei man ständig Angst hat, daß da was abbricht. Dann wechselt man
auf die rechte Seite, wo man wesentlich sicherer gehen kann. Nach links geht es etwa 70 Grad
abwärts, rechts ist es flacher, vielleicht 55-60 Grad.
Der Gipfelgrat ist die kniffligste Stelle
| | |
Um 14.45 Uhr sind wir dann auf dem Gipfel. Die Aussicht ist gerade noch gut, soeben zieht
Nebel auf. Kurze Fotosession, dann müssen wir auch schon wieder runter. Eine halbe Stunde
geht die Gratwanderung weiter, allerdings ist er nicht mehr so schmal, und es geht auch nicht
so steil bergab. Im weiteren Verlauf ist an vielen Stellen das Eis schon ziemlich aufgeweicht,
man sinkt tief ein. Die Gamaschen leisten gute Dienste.
Über eine kleinere Spalte sollen wir rutschen. Eine ungewöhnliche Variante, aber es
klappt. Nur die Hose ist jetzt durchnäßt. Irgendwann kommt die
Quintino-Sella-Hütte in Sicht, die unser Tagesziel darstellt. Erst einmal alle
Ausrüstung ablegen, die Stiefel müssen unten bleiben, dafür gibt es
Hüttenschuhe. Die sind immerhin umsonst für die Hüttengäste.
Wir bekommen ein Achterzimmer zugeteilt, allerdings übernachten dort auch andere.
Alles ist ziemlich beengt, so daß man seinen Rucksack gar nicht auspacken möchte.
Nun gut, ich lege mein Bettzeug auf eine der Matratzen, das wars. Alle Ausrüstung ist
längst wieder im Rucksack.
|
Tolles Panorama auf dem Gipfel
|
Das Abendessen findet in zwei Schichten statt. Da wir erst um 17 Uhr eingetroffen sind,
kommen wir in die zweite Schicht um 20 Uhr. Obwohl die Route, die wir hier absolvieren,
als „Spaghetti-Route“ bezeichnet wird (die Hütten liegen alle in Italien), gibt es nur
als Vorspeise Nudeln, dann Braten mit Kartoffeln und hinterher eine kleine Portion Schokopudding.
Erstaunlich ist, daß hier nur Einwegbesteck und -geschirr verwendet wird. Und um 22 Uhr
wird Bettruhe verordnet, aber das ist normal in den Alpen. Und tatsächlich ist es bald
ruhig in der Hütte.
...weiter mit Hochtour in den Walliser Alpen Teil 2