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Die Brücke von Mostar - Ein Jahrzehnt danach
Text und Fotos: Eckart Winkler, Bad Nauheim, http://www.eckart-winkler.de
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Allgemeine und touristische Informationen zu Bosnien-Herzegowina

 

Tagesausflug im August 1989 von Dubrovnik nach Mostar - Alte türkische Baudenkmäler - Die berühmte türkische Brücke über die Neretva - Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien - Und die alles beherrschende Frage: WARUM?

Statistik
Datum der ReiseAugust 1989
Dauer1 Tag
Bericht online seit12.03.2001
Aktualisiert am12.03.2001


Ein schöner Tag im August 1989

Es ist der 30.08.1989. Ein schöner Tag, leicht bewölkt. Von der in den nächsten Tagen herrschenden Schlechtwetterphase ist noch keine Spur zu sehen. In Dubrovnik werden wir vom Hotel abgeholt. Wir haben einen Tagesausflug nach Mostar gebucht, dem nach Sarajevo bekanntesten Ort in Bosnien-Herzegowina.

Unseren Paß benötigen wir für diesen Ausflug nicht. Wir fahren ja nur von einer Teilrepublik in die andere, nämlich von Kroatien nach Bosnien-Herzegowina. So etwa, als würden wir von Hessen nach Bayern fahren. Insgesamt besteht Jugoslawien aus sechs "sozialistischen föderativen Republiken". Außer den genannten sind das noch Serbien, Slowenien, Mazedonien und Montenegro. Alle haben eigene Parlamente und eigene Flaggen, Jugoslawien ist ein Vielvölkerstaat.

In nördlicher Richtung fahren wir bis Metkovic. Eine halbe Stunde Kaffeepause. Dann weiter ins Landesinnere. Die Reiseleiterin spricht gut und fast akzentfrei deutsch. Sie erzählt uns einiges über die Geschichte des Vielvölkerstaates. "Das Land der südlichen Slawen", so heißt Jugoslawien übersetzt. Viele Gemeinsamkeiten zwischen den Bewohnern scheint es aber nicht zu geben. Nach der Volkszählung von 1981 wohnen hier 36% Serben, 20% Kroaten, 8% Slowenen, 6% Mazedonier, 2.5% Montenegriner. Dazu Angehörige von rund 20 anderen Volksgruppen. So unterschiedlich auch alle sein mögen, eine Gemeinsamkeit gibt es auf jeden Fall: Es sind alles Menschen.

Vielseitig sind auch die Religionen: 42% mazedonisch-orthodoxe Christen, 26% Katholiken, 12% Moslems, 0.7% Protestanten, jüdische Minderheiten. 12% sind konfessionslos. Gesprochen wir serbisch und kroatisch, aber auch slowenisch, mazedonisch, magyarisch und albanisch. Selbst slowakisch, rumänisch, türkisch und italienisch ist bei einigen Minderheiten zu hören. Für das Serbische wird die kyrillische Schrift benutzt, alle anderen Sprachen benutzen die lateinische Schrift.

Wenn man sich eine Jugoslawien-Karte mit der Verteilung der Nationalitäten ansieht, fällt sofort die Uneinheitlichkeit von Bosnien-Herzegowina ins Auge. Vor allem hier leben Angehörige aller Nationalitäten direkt und eng nebeneinander. Hier gibt es kroatische Dörfer neben einer moslemischen Stadt neben einem serbischen Dorf. Oder auch umgekehrt. Die Reiseleiterin betont: Das ist überhaupt kein Problem.

In der Schule hatte ich noch gelernt: Es gibt einen einzigen Mann, der Jugoslawien zusammenhält: Josip Tito, 1974 zum Präsidenten auf Lebenszeit gewählt. Große Verdienste sind ihm zuzuschreiben, denn er hat die Republik Jugoslawien geformt, er ist einen eigenen Weg zum Sozialismus gegangen, unabhängig von der in Osteuropa allmächtigen Sowjetunion. Tito ist am 08.05.1980 fast 88-jährig gestorben. Es scheint, sein Geist wirke bis heute nach. Aber ist das wirklich so?

Wir fahren im Tal der Neretva, des Flusses, der auch Mostar durchquert. Die Gegend ist nicht besonders dicht besiedelt. Ab und zu verengt sich das Tal, dann wird es wieder fast zur Ebene. Fotostop in Pocitelj. Es gibt hier eine Burgruine, aber auch ein altes türkisches Haus. Ob hier jetzt noch Moslems wohnen, erfahren wir nicht. Schließlich erreichen wir Mostar.

Die Karadjoz-Beg-Moschee
Das Waschhaus der Karadjoz-Beg-Moschee Das Minarett der Karadjoz-Beg-Moschee
Das Waschhaus Das Minarett

Heute wie früher leben hier Angehörige aller Nationalitäten scheinbar friedlich nebeneinander. Auffallend die Bauwerke aus türkischer Zeit. Mostar war in den Jahren 1522-1878 Hauptstadt der türkischen Provinz Herzegowina. So besteht beispielweise das südliche Stadtviertel Kujundziluk fast komplett aus türkischen Häusern des 16.Jhdts. Noch heute ist der islamische Charakter der Stadt an beiden Ufern der Neretva zu spüren.

Die Stadtführung beginnt an der Karadjoz-Beg-Moschee. Im 16.Jhdt. im typisch türkischen Stil erbaut und sehr gut erhalten. Sie ist nicht in erster Linie ein touristisches Objekt, sondern wird noch intensiv benutzt. Wunderschön das Waschhaus im Hof, wo vor dem Gebet die rituellen Waschungen durchgeführt werden. Das Innere ist eher schlicht, auch die Gebetsnische. Figürliche Darstellungen sind im Islam ja ohnehin verboten.

Dann zeigt man uns eines der alten türkischen Wohnhäuser. Durch einen breiten Torbogen geht es in einen Innenhof. Von diesem aus sind alle Gebäudeteile zugänglich. Unten Stallungen und Vorratsräume. Die Wohnräume sind über eine Treppe und eine Galerie im ersten Stock zu erreichen. Diese Galerie zieht sich um den gesamten Innenhof. Einige der Räume sind im Originalzustand hergerichtet. Sicher eine reiche Familie war das, der dieses Haus gehört hat. Die meisten Häuser der Umgebung sind ähnlich aufgebaut. Wo man in den Innenhof blicken kann, macht es aber eher einen ärmlichen Eindruck.

Über den Basar, der sich mit vielen Souvenirläden und einigen Straßenständen ein paar hundert Meter am Ufer der Neretva entlangzieht, nähern wir uns der Alten Brücke, dem architektonischen Höhepunkt der Stadt. Aus dem Jahr 1566 stammt sie und ist aus weißem Kalkstein. In einem einzigen Bogen von 28 m Länge überspannt sie den Fluß. Damals eine technische Meisterleistung des türkischen Baumeisters Hajrudin. Lange Jahre war sie die einzige Verbindung zwischen den beiden Stadthälften.

Die alte türkische Brücke
Die alte türkische Brücke Schon von weitem
ein markanter Punkt
im Stadtbild.
Die alte türkische Brücke Im Näherkommen
zeigt sich ihre
ganze Schönheit.
Die alte türkische Brücke Auf der rechten
Seite sieht man
die mächtigen
Mauern des früheren
Gefängnisses.
Die alte türkische Brücke Auf der Brücke
ist immer viel
los.

Mittlerweile gibt es zwar weitere, moderne Autobrücken, die Alte Brücke ist aber nach wie vor Publikumsmagnet Nummer 1. Und es sind nicht nur Touristen, die hierherkommen. Viele Einheimische, Christen wie Moslems, Serben wie Kroaten, halten sich hier durchaus mal für eine oder zwei Stunden auf. Es ist ein magischer Ort.

Oft sieht man junge Männer auf dem stromabwärts liegenden Rand der Brücke stehen, jenseits des erst viel später hinzugefügten Metallgitters. Eine Horde von Touristen steht dann drumherum und wartet, was da nun passieren soll. Der junge Mann sammelt Geld ein. Und wartet. Und wieder gibt ein neu dazugekommener Tourist ein paar Münzen. Der junge Mann wartet weiter. Und endlich, wenn er genug Geld erhalten hat, springt er. Ein waghalsiges Unternehmen. Von oben, aus fast 30 m Höhe, scheint die Neretva gerade noch die Breite einer Badewanne zu besitzen, auf beiden Seiten von Felsen gesäumt. Da muß man den Fluß schon sehr genau kennen, um an der richtigen Stelle einzutauchen.

Auf einen historischen Zwischenfall gründet sich diese Mutprobe. Denn das aus gewaltigen Mauern errichtete Gebäude auf der rechten Flußseite wurde zu türkischer Zeit als Gefängnis benutzt. Ein Verbrecher soll damals auf dem Weg zur Hinrichtung durch einen Sprung in den Fluß seiner Strafe entronnen sein. Die Stromschnellen haben ihn fortgespült. Und ehe man reagieren konnte, war er dem Arm des Gesetzes entwischt. In heutiger Zeit also haben junge Männer dieses Ereignis wieder aufleben lassen und schaffen sich so einen Nebenverdienst.

Um 15 Uhr ist Treffpunkt zur Rückfahrt. Einen Aufenthalt von einer halben Stunde gibt es noch in Ston auf der Halbinsel Peljesac. Hier sind wir schon wieder in der Teilrepublik Kroatien. Beeindruckend die fünf Kilometer lange Stadtmauer, die sich ungeachtet der Berghänge hoch und runter durch die Landschaft zieht. Fast fühlt man sich an die Große Chinesische Mauer erinnert. Gegen 18.30 Uhr sind wir zurück in Dubrovnik.


Wieder zu Hause

Nicht einmal ein Jahr später beginnt der Zerfall des Vielvölkerstaates. Als erste Teilrepublik tritt Slowenien aus der Republik aus und erklärt trotz anfänglichen Widerstandes bereits am 02.07.1990 seine Unabhängigkeit, nachdem schon im April die ersten freien Wahlen seit dem 2.Weltkrieg stattgefunden hatten. Die anderen Teilrepubliken folgen im Monatsrhythmus. Es werden Parlamente gewählt, es gibt neue Präsidenten.

Damit ist jedoch längst nicht alles klar. Ganz im Gegenteil, es fängt erst an. Überall werden aus Nachbarn plötzlich Feinde. Jahrelang hat man friedlich nebeneinandergelebt, nun kann man das offenbar nicht mehr, weil man Kroate ist und der Nachbar Serbe. Nun kann man es nicht mehr, weil man Moslem ist und der Nachbar Christ. Aber warum muß das so sein? Es sind doch alles Menschen.

Aus einzelnen Anschlägen werden Unruhen, aus Unruhen wird offener Krieg. Keine Gegend im ehemaligen Jugoslawien, die in den folgenden Monaten und Jahren nicht Kriegsschauplatz ist. Und das Unfaßbare: Es ist ein Krieg mitten in dem so sicher geglaubten Europa. Viele Krisenherde und auch Kriege gab es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Ob Korea, Vietnam oder Falkland. Alles war weit entfernt, aus sicherer Distanz im Fernsehsessel wahrgenommen. Aber nun mitten in Europa? Wie konnte das passieren?

In der Tagesschau erkenne ich eine Straße kurz vor Dubrovniks Altstadt wieder. Einige Male sind wir dort entlanggelaufen. Nun liegen da Soldaten im Straßengraben und beschießen Häuser auf der gegenüberliegenden Seite. Muß das sein? Ist das zu verstehen?

Bosnien-Herzegowina trifft es besonders hart. Hier, wo es die größte Nationalitäten-Vielfalt gibt, dauert der Krieg noch bis Ende 1995. Auch Mostar ist wieder und wieder in den Schlagzeilen. Hier bemüht sich der frühere Bremer Oberbürgermeister Hans Koschnick jahrelang um eine Vermittlung zwischen den Konfliktparteien.

Und dann ist immer wieder auch die alte türkische Brücke in den Nachrichten. Ihr wird lange schon ein gewisser Symbolcharakter für den Zustand Jugoslawiens zugewiesen. Als sie am 09.11.1993 endgültig zerstört wird, ist für viele der Untergang Jugoslawiens sicher.

Zeitungsmeldung
Aus einer Agenturmeldung vom 10.11.1993

Aber auch andere Bauwerke hat es getroffen: "Von der im neomaurischen Stil gebauten Nationalbibliothek in Sarajewo sind nur die schwer beschädigten Außenmauern stehen geblieben. In der heutigen Serbenhochburg Banja Luka ist die Ferhadija-Moschee, die einst schönste Moschee westlich von Istanbul, nach einer Sprengung dem Erdboden gleichgemacht worden - nur noch einige Steine auf dem neugewonnenen Parkplatz erinnern heute an eines der beeindruckendsten Bauwerke in Bosnien-Herzegowina." (aus einem Artikel von Günther Chalupa).

Diese Zerstörungen sind keinesfalls nur mit kriegstaktischen Manövern zu erklären. Vielmehr geht man heute davon aus, daß sie Teil einer "ethnischen Säuberung" waren, die zunächst von den Serben, später aber auch von den Herzegowina-Kroaten praktiziert wurde. "Denn mit der Vernichtung der kulturellen Wurzeln wollten die Verantwortlichen eine eventuelle Rückkehr der Vertriebenen verhindern."

Zeitungsmeldung
Aus dem Bericht von Günther Chalupa


Das ehemalige Jugoslawien mit seinen sechs Teilrepubliken besteht heute aus fünf souveränen Staaten: Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, der Republik Jugoslawien (bestehend aus den früheren Teilrepubliken Serbien und Montenegro) sowie Mazedonien.

So richtig zur Ruhe gekommen sind die Menschen vermutlich immer noch nicht. In den zur Republik Jugoslawien gehörenden Teilrepubliken Vojvodina und vor allem Kosovo gibt es immer noch genügend Konfliktpotential, im Kosovo ist eine Friedenstruppe der Vereinten Nationen eingesetzt (wie in Bosnien-Herzegowina auch). In Montenegro sind Bemühungen zu registrieren, sich von Serbien abzutrennen. Daß es in den anderen "neuen" Staaten nach wie vor brodelt und gärt, muß vermutet werden. Lediglich Slowenien und Kroatien scheinen genügend Stabilität zu besitzen.

Über allem steht aber nach wie vor die Frage, die wohl für immer unbeantwortet bleiben wird: WARUM?


Und jetzt

Die Brücke ist wieder da. Ein Symbol ist zurückgekehrt. Und genauso wie man in der Zerstörung der Brücke den Untergang Jugoslawiens sah, so sollte die nun erfolgte Wiedereröffnung in eine glücklichere Zukunft weisen. Zu hoffen wäre es.

Zeitungsmeldung
Aus einer Agenturmeldung vom 24.07.2004


Anmerkung

Dieser Bericht sollte keinesfalls eine exakte Wiedergabe der Ereignisse im Zusammenhang mit der jüngeren Geschichte Ex-Jugoslawiens enthalten. Es ist vielmehr der subjektive Bericht eines Menschen, der das frühere Jugoslawien zu einer Zeit besucht hat, als nach außen noch alles friedlich schien, innen aber längst die Weichen für das gestellt waren, was in den nächsten Jahren folgte. Eines Menschen, der umso entsetzter war, was er in den folgenden Jahren aus den Zeitungen und Nachrichtensendungen entnahm. Sollte irgendetwas falsch dargestellt sein, bitte ich um Nachricht. Ich werde es umgehend prüfen und, wenn nötig, ändern.

 

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