Inverness am River Ness mit seiner Burg, seinen Kirchen, seinen Kneipen und Geschäften -
Speyside- Tour: Brodie Castle, Spey-Tal und natürlich der Besuch in einer Whisky- Brennerei
Statistik
Datum der Reise | Juli 1994 |
Dauer | 5 Tage |
Bericht online seit | Mai 1999 |
Aktualisiert am | 23.07.2011 |
Erster Tag: Inverness
Da liest man in fast jedem Reiseführer, Inverness sei nicht sehr interessant
oder langweilig oder hätte nichts zu bieten oder was auch immer.
Ob da alle voneinander abschreiben? Und ob jemals einer der Autoren da war?
Wer weiß das schon. Auf jeden Fall ist das alles Quatsch!
In Wahrheit ist Inverness ausgesprochen hübsch.
Die Stadt hat 40 000 Einwohner,
ist also noch klein genug, um nicht in Großstadt-Hektik und -Verkehr
zu versinken. Und sie ist groß genug, um eigentlich alles zu bieten,
was man sich als Reisender wünscht: Eine gute Anbindung mit öffentlichen
Verkehrsmitteln, Ausflugsmöglichkeiten in alle Richtungen, Geschäfte, Kneipen.
Sicher, die Pyramiden von Gizeh oder das Taj Mahal sucht man hier
vergeblich, aber es ist nicht weit bis zur Whiskygegend Speyside
mit dem berühmten Malt Whisky Trail, zum immer noch geheimnisumwobenen Loch Ness
und schließlich zu den fast menschenleeren, dafür aber umso großartigeren Highlands.
Das Schloß von Inverness. Hier soll Macbeth seinen Rivalen Duncan ermordet haben.
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Zweigeteilt wird die Stadt durch den River Ness, einen recht breiten, aber
doch sehr kurzen Fluß. Nur wenige Kilometer lang, entleert er Loch Ness
in Richtung Nordsee und komplettiert damit den Caledonian Canal.
Das Stadtzentrum befindet sich östlich des Flusses. Weithin sichtbar liegt
Inverness Castle, und hier beginnt naturgemäß unser Rundgang.
Besichtigt werden kann das Schloß nicht, es dient als Verwaltungsgebäude.
Dafür hat man von oben einen schönen Blick auf die Stadt und die Umgebung. Der jetzige
Bau ist auch nicht unbedingt historisch zu nennen, er stammt aber immerhin
aus der ersten Hälfte des 19.Jhdts. In einem Vorgängerbau soll Macbeth den
König Duncan ermordet haben, woraufhin er selber den Thron bestieg. Diesen
historischen Vorfall hatte Shakespeare in seinem berühmten Drama verewigt.
Wo dies tatsächlich stattgefunden hat, ist allerdings unklar.
Ein paar andere Schlösser werben ebenfalls damit.
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Lachsangler im River Ness, einem der kürzesten Flüsse der Welt
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Nicht weit vom Schloß befindet sich die Tourist Information, wo wir für die
folgenden beiden Tage zwei Ausflüge buchen, einen in die Whiskygegend Speyside,
den anderen rund um Loch Ness. Dann ins Museum direkt daneben, das ist gar nicht
mal uninteressant. Ein bißchen zur Stadtgeschichte
enthält es, aber noch viel mehr zur Geschichte der Highlands, seine Pflanzen-
und Tierwelt, seine Besiedlung, seine Clans. Die Sammlung wird komplettiert
durch eine kleine Gemäldegalerie, die es natürlich bei weitem nicht mit
den bekannten Galerien in Edinburgh oder gar London aufnehmen kann.
Sehenswert ist die viktorianische Einkaufspassage, die gegenüber dem Bahnhof
von der Academy Street betreten wird. Da sieht man, daß Einkaufspassagen keine
Erfindung unserer Zeit sind. Viele kleine Geschäfte, das Konzept ist bis heute
gleichgeblieben. Wer im großen Stil einkaufen möchte, kann aber auch ins
Eastgate Shopping Centre gehen, das ist nicht weit von hier.
Inverness ist reich an Kirchen, das ist auffällig. So die East Church in der
Academy Street oder die Old High Church mit ihrem alten Friedhof direkt am
River Ness. Gegenüber St.Columba trifft man auf das älteste Gebäude der Stadt,
das Abertarff House, ein früherer Stadtpalast einer reichen Familie aus dem
16.Jhdt. Auf der anderen Seite des Flusses dann schon wieder eine Kirche,
die Kathedrale St.Andrews, im 19.Jhdt. neugotisch erbaut.
Den späten Nachmittag verbringen wir dann bei und auf den Ness Islands.
Diese Inseln im Süden der Innenstadt liegen mitten im River Ness und sind
durch eine Vielzahl von Brücken verbunden. Insgesamt ein richtig großer Park
mit vielen Bäumen und Bänken, der sich gut zum Spazierengehen und Joggen eignet.
Um 19 Uhr finden wir uns noch einmal auf der Esplanade vor dem Schloß ein.
Laut einem Prospekt aus der Tourist Information soll um diese Zeit ein
"Lone Piper", also ein einsamer Dudelsackspieler, hier spielen. Tut er aber nicht.
Na ja, gehen wir eben etwas essen, und danach der übliche Pub-Besuch.
Zweiter Tag: Speyside-Tour
Um 9 Uhr ist Start unserer Speyside-Tour. Mit dem Bus geht es in östlicher Richtung.
Wir passieren das Schlachtfeld von Culloden, auf dem sich im 18.Jhdt.
Schotten und Engländer die Köpfe einschlugen, wie sie es vorher an anderen
Stellen schon oft getan hatten.
Und um 9.45 Uhr gibt es bereits den ersten Stop, und zwar bei Brodie Castle
in der Nähe der kleinen Stadt Forres.
Ein wunderschönes, eben typisch schottisches Schloß mit einem riesigen Park.
Das Schloß stammt aus dem 16.Jhdt, allerdings wurde es Mitte des 17.Jhdts.
zerstört und erst ab 1730 wiederaufgebaut. Heute gehört es dem National
Trust for Scotland, der fast alle wichtigen denkmalgeschützten Gebäude in
Schottland verwaltet. Im Inneren finden sich Möbel, Porzellan und Gemälde.
Alles alt und very fine, natürlich, aber doch in jedem Schloß dasselbe.
Brodie Castle: In der Gegend gibt es also nicht nur Whisky
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Viel schöner ist es im Park. In der Nähe des Hauses ein kleiner botanischer
Garten mit vielen exotischen Pflanzen. Und der Rest ist meist nicht
als englischer Rasen angelegt (wir sind eben nicht in England), sondern
als Wald. Immer wieder geben die Bäume einen Blick auf das Schloß frei,
und irgendwann stoßen wir auf den eigentlichen Höhepunkt, den Rodney Stone.
Eine uralte, fast 2 m hohe Steintafel mit piktischen Symbolen auf der Vorder-
und einem christlichen Kreuz auf der Rückseite. Zur Erläuterung: Die Pikten
sind einer von vier Volksstämmen, aus denen sich im frühen Mittelalter das
Volk der Schotten bildete. Der Rodney Stone wurde nicht hier gefunden,
auch streitet man über die Herkunft des Namens. Ein General namens Rodney
oder ein Rattenfänger namens Rottenay soll dafür verantwortlich sein.
Eine Kopie des Steins hatten wir übrigens tags zuvor im Museum im Inverness
gesehen. Und daß Rodney Stone auch eine Novelle von Sherlock-Holmes-Erfinder
Arthur Conan Doyle ist, erfahren wir erst später.
Um 11.15 Uhr Weiterfahrt nach Elgin. Die Kathedrale, ursprünglich aus dem
13.Jhdt, präsentiert sich als Ruine. Einige schöne Stadthäuser gibt es in der
High Street. Lange halten wir uns in der Stadt aber nicht auf, die Fahrt geht
zunächst immer noch in östlicher Richtung weiter, und zwar bis zu dem kleinen
Ort Fochabers. Dies ist der Sitz einer Konservenfabrik.
Aber nicht irgendeiner Konservenfabrik. Nein, das ist die berühmte Baxter's-
Fabrik, die nur die allerfeinsten Hotels und Restaurants in aller Welt beliefert.
Was wäre ein Hilton in New York ohne Baxter's Red Bean Soup oder ein
British-Airlines-Flug ohne die originale bittere Orangenmarmelade von Baxter's?
Nein, ganz im Ernst: Die Baxter's- Konserven sind wirklich gut, werden hier
allerdings ein bißchen arg patriotisch präsentiert. Klar, man ist stolz auf
sich und will das zeigen. Die Konkurrenz auf dem Markt ist groß, und die
Baxter's- Produkte sind teuer.
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Der Rodney Stone mit alten piktischen Symbolen
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Man kann dann noch einen Film über die Baxter's- Geschichte ansehen, muß es
aber nicht. Und man kann im Original- Verkaufsladen Suppen, Eintöpfe,
Marmelade oder Honig einkaufen, muß es aber nicht.
Von nun an fahren wir das Spey-Tal flußaufwärts.
Eine malerische Gegend mit saftigen grünen Wiesen und dem River Spey, der
sich hier durch die Landschaft schlängelt. Fast fühlt man sich an die Alpen
mit ihren Almen und Gebirgsflüssen erinnert. Ein bißchen flacher natürlich.
Die Straße gehört zum Malt
Whisky Trail, der hier 110 km lang an den berühmtesten Whisky-Brennereien
des Landes vorbeiführt. Wir passieren die Glen-Grant-Distillery, machen
einen kurzen Abstecher nach Dufftown mit der größten Anzahl an Brennereien,
darunter Glenfiddich und Mortlach, weiter die Cardhu-Distillery und gelangen
schließlich über Grantown-on-Spey nach Carrbridge.
Hier machte man wohl aus der Not eine Tugend, denn in der Gegend wuchs und
wächst nichts anderes als Heidekraut, und so stellt und stellte man aus diesem Heidekraut
alles her, was man sich vorstellen kann. Und das Speyside Heather Centre erklärt es einem.
Angefangen bei dekorativen Zwecken kam man schnell zur Herstellung von
Gebrauchsgegenständen wie etwa geflochtenen Körben. Dann stellt man alle nur
erdenklichen Getränke daraus her. Es gibt Heather-Bier, -Schnaps, -Whisky
und -Likör. Den Schnaps und den Likör dürfen wir auch probieren. Schließlich
erfährt das Heidekraut auch medizinische Anwendung in Form von Heilkräutern.
Ein wahrhaft universales Gewächs!
Nun, es ist schon später Nachmittag, der unvermeidliche Besuch in einer
Whisky-Brennerei. Wie könnte man diese Gegend auch verlassen, ohne sich einmal
den Produktionsprozeß angesehen und das Resultat probiert zu haben! Ort des
Geschehens ist die Tomatin Distillery, nur noch 25 km südöstlich von Inverness
gelegen. Tomatin ist - man höre und staune - die größte schottische Brennerei,
dabei aber auch die unbekannteste, denn kaum einer hat bisher von ihr gehört.
Der Grund, wie man uns gleich erklärt, liegt darin, daß der Tomatin Whisky
hauptsächlich in Blended Whiskies verwendet wird und kaum als Single Malt auf
dem Markt erscheint. Aber der Reihe nach.
Zunächst dürfen wir ein paar Malzkörner probieren, die hier verwendet werden.
Und in der Tat, der Malzgeschmack ist deutlich zu spüren. Die ersten Schritte
in der Whisky- Herstellung unterscheiden sich kaum von denen der Bier-
Herstellung. Dann geht es jedoch zur Destillierung. Dazu werden die "Stills"
benötigt, das sind die großen Destilliergefäße mit rundem Bauch und schmalem
Hals. Von der Form dieser Stills hängt der Geschmack des späteren Whiskies
ganz entscheidend ab. Resultat dieses Schritts ist eine farblose Flüssigkeit
mit viel zu hohem Alkoholgehalt, der durch Zugabe von Wasser auf ein
erträgliches Maß gebracht wird.
Nun wird der Whisky in Fässer abgefüllt und gelagert. 10 Jahre, 20 Jahre,
30 Jahre. Und erst während dieser Lagerung erhält er seine Farbe und seinen
charakteristischen Geschmack. Zur Lagerung werden immer bereits benutzte
Fässer genommen, manchmal enthielten sie früher American Whiskey, manchmal Sherry,
natürlich immer dieselbe Sorte. Man zeigt uns einen Lagerraum, und tatsächlich
stammt das älteste Faß aus dem Jahr 1965. Die Güte des Whiskies und
auch der Preis wird an dem Alter gemessen, der sich natürlich nur auf die
Lagerzeit im Faß bezieht. Kauft man eine Flasche 12-jährigen Whisky und
legt sie drei Jahre in den Schrank, hat man noch lange keinen 15-jährigen Whisky!
Nun endlich in die Probierstube! Jeder erhält ein Glas, allerdings nach dem Motto:
Jeder nur ein winziges Schlückchen! Es ist ein Single Malt, das heißt, in dem
Glas ist nur ein einziger Whisky drin, eben Tomatin pur. Im Gegensatz dazu
sind die Blended Whiskies aus mehreren Sorten gemischt, oft auch mit
American Whiskeys. Diese sind dann erheblich billiger, allerdings immer noch
teuer genug.
Übrigens, um hier noch eine Sprachverwirrung aufzulösen: In Schottland wird
Whisky hergestellt (Mehrzahl Whiskies), in den Vereinigten Staaten und
Irland Whiskey (Mehrzahl Whiskeys). Und natürlich genießt man das edle Getränk
immer nur mit Wasser, nie mit Eis (so etwas tun angeblich nur die Amerikaner,
aber deren Whiskey ist ja angeblich auch nicht so edel??!). Wie auch immer:
Würden Sie denn einen guten Rotwein mit Eis trinken?
Am Abend geht es dann wieder in einen der Pubs von Inverness. Wir erwischen
einen Irish Pub in der Academy Street. Dort gibt es Live Music, weil gerade
Wochenende ist. Natürlich werden hauptsächlich irische Lieder gespielt, ein
paar schottische sind auch dabei.
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