Eine Tour durch den Odenwald wollte ich unternehmen. Weil es nicht zu
einfach sein sollte, setzte ich mir 40 km als Minimum. Und natürlich
sollten ein paar Berge dabei sein. An- und Abreise hatte ich mit der Bahn geplant.
Interessant schienen mir die Punkte Melibokus, Felsenmeer und Neunkircher
Höhe als zweithöchster Odenwald-Gipfel. Als Start- und Endpunkt boten sich
Michelstadt und Zwingenberg an, letzteres direkt am Fuß des Melibokus gelegen.
Die Entfernung zwischen beiden deckte sich ungefähr mit meinen Vorstellungen.
Der Fahrplan der Deutschen Bahn bestimmte dann, dass es von Michelstadt
nach Zwingenberg gehen sollte und nicht umgekehrt. Denn von Zwingenberg konnte man
laut Fahrplan noch bis in die Nacht hinein wegfahren, von Michelstadt aber nur bis 19.40 Uhr.
Da die erste Hälfte der Wanderung ansonsten ohne große Höhepunkte
gewesen wäre (außer Michelstadt natürlich), nahm ich noch den Morsberg
ins Programm, über den ich zwar nichts wußte, der aber mit
seinen 517 m noch ein paar Höhenmeter ergab und ohnehin so ziemlich
auf dem Weg lag.
Weil es nun in der zweiten Oktoberhälfte (vor Umstellung auf
Winterzeit) schon gegen 19 Uhr dunkel sein würde, nahm ich meine
Taschenlampe mit. Ohne Licht im Wald wäre es vermutlich nicht so lustig.
Die Alternative, früher loszuwandern, war aufgrund der Länge
der Anreise mit der Bahn kaum zu realisieren. So oder so, auf dem Weg
würde ich mir keine langen Aufenthalte und Trödeleien leisten
können.
Wer eine längere Anreise hat, kommt daher um eine Übernachtung
in der Nähe nicht herum. Eine Möglichkeit wäre in Heidelberg.
Da kann man außerdem die zahlreichen Sehenswürdigkeiten der Stadt besuchen
und den Abend in einer der zahlreichen Gaststätten verbringen.
Die Tour
Um 9.45 Uhr komme ich also am Bahnhof Michelstadt an, der Zug nur leicht
verspätet. Als erstes eine kurze Sightseeing-Tour durch die Stadt.
Eine schöne Altstadt gibt es hier, am bekanntesten der Marktplatz
mit dem schönen Fachwerk-Rathaus. Das muß man gesehen haben.
Der straffe Zeitplan läßt leider nicht mehr als ein paar Minuten
Aufenthalt zu.
Michelstadt gehört zum Kreisgebiet
des Odenwaldkreises und liegt zwischen Bad König und Erbach.
Neben dem Rathaus sind auch die zahlreichen Fachwerkhäuser der Altstadt
zu erwähnen, außerdem die erhaltenen Teile der Stadtmauer mit dem Diebsturm,
die Stadtburg (auch Kellerei genannt) sowie die spätgotische
Stadtkirche
mit ihren Grabdenkmälern im Inneren und auf dem Gelände außerhalb der
Kirche.
Das Michelstädter Rathaus ist der Blickfang in der Altstadt
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Und schon geht es wieder zurück zum Bahnhof und weiter in den Ortsteil
Steinbach. Hier lockt die Einhards-Basilika, die bedeutendste
karolingische Basilika nördlich der Alpen. Eine eingehende
Besichtigung sicher zu empfehlen, allerdings fehlt auch hierzu die Zeit.
Denn jetzt geht es endlich auf die Strecke, es ist 10.10 Uhr.
Noch in der Stadt verlaufe ich mich, die Wanderkarte ist eben eine
Wanderkarte und kein Stadtplan. Am Ortsausgang merke ich, dass ich
mich fälschlicherweise auf der B47 befinde. Nun gut, dann laufe ich
eben ein bißchen die Bundesstraße entlang. An der Einhardsquelle
bin ich wieder auf dem richtigen Weg, und der heißt hier
"Nibelungenweg". Diese Bezeichnung ist eine Schöpfung der Neuzeit,
die den Tourismus ankurbeln soll; die B47 wird hier demgemäß
"Nibelungenstraße" genannt. Immerhin soll der Nibelungenweg,
der von Worms bis Wertheim am Main führt, in etwa dem Weg entsprechen,
den die Nibelungen im zweiten Teil der Sage auf ihrem Marsch zum Hof
des Hunnenkönigs Etzel in Ungarn genommen haben.
Der erste auffällige Punkt auf dem Weg ist die Russeneiche. Sie
heißt vermutlich so, weil nach der Völkerschlacht 1813 bei
Leipzig russische Soldaten hier campierten, die den fliehenden Napoleon
verfolgten. In anderer Version soll Napoleon bei seinem Rückzug
die russischen Soldaten als Gefangene mitgenommen haben. Ob sie dann
aber nicht vielleicht eher Napoleoneiche hieße??! Die Eiche ist
innen hohl, man kann hindurchsehen, aber auf jeden Fall ein beeindruckendes
Naturdenkmal.
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Eindrucksvolles Naturdenkmal Russeneiche
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Weiter auf dem Nibelungenweg, ich nähere mich wieder der B47, der
Weg führt jetzt fast parallel zur Straße. An der Kreuzung zur L3414
steht ein Haus, das in der Karte als "Spreng" bezeichnet ist. Scheint eine
Gaststätte zu sein. Vielleicht heißt auch diese Gegend so.
Und schon geht es auf der anderen Seite hoch zum Morsberg. Der Weg führt
durch Wald, und die Steigung ist spürbar. Der höchste Punkt liegt nicht
am Weg, daher mache ich noch einen Abstecher, um dort meine Mittagsrast einzulegen.
Die Idee, den "Gipfel" zu überschreiten und nicht zum Weg
zurückzukehren, erweist sich als nicht so gut. Ich brauche eine
geraume Zeit, bis ich mir sicher bin, an welcher Stelle der Karte ich
mich nun befinde. Bald ist eine große Kreuzung im Wald erreicht, 2.3 km
nach Beerfurth heißt es hier. Da will ich hin, alles klar.
Auf dem Weg sieht es auch so aus, als könne man sich nicht verlaufen,
trotzdem passiert es. Und das Schlimme: Ich merke es erst, als ich fast
eine halbe Stunde später am Parkplatz "Vierstöck" herauskomme,
kaum vom Morsberg entfernt. Wie das passieren konnte, ist mir auch
im nachhinein unklar. Und auch der Weg, den ich zur Korrektur dieses
Mißgeschicks einschlage, ist nicht der beste. Teilweise querfeldein
gehe ich durch Wald und Feld. Insgeheim denke ich mir, dass dieser Berg
seinen Namen wirklich zurecht trägt.
Auch das Reichelsheimer Rathaus ist fotogen
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Immerhin, um 13.37 Uhr bin ich endlich in Beerfurth, das liegt nun wieder
auf nur 200 m Höhe und besitzt einen schönen Schilderbaum.
So langsam wird es kritisch mit meiner Zeitplanung, bis Zwingenberg ist
es noch ein weiter Weg. Zunächst lasse ich mich aber nicht beirren
und wandere gleich weiter nach Reichelsheim. Ohne weitere Vorkommnisse
komme ich dort gegen 14 Uhr an und nehme mir die Zeit für ein Foto
vom schönen Rathaus, das nur durch die Telefonzelle ein wenig gestört wird.
Und nun nehme ich mein nächstes Ziel ins Visier, die Neunkircher
Höhe. Diese markiert erst Halbzeit auf meiner Strecke. Bald bin ich
auch schon wieder auf 410 m Höhe. Der weitere Weg führt durch Wald.
Nach Überquerung der L3399 sind endlich mal ein paar Menschen unterwegs,
die ich bislang nur in den Orten gesehen habe. Aber der Weg zum Gipfel
zieht sich noch ziemlich in die Länge.
Und dann bin ich da. Die Neunkircher Höhe ist mit 606 m die
zweithöchste Erhebung des Odenwalds. Nur der Katzenbuckel ist mit
626 m etwas höher, aber der liegt weit im Süden. Der Kaiserturm
enthält die höchstgelegene Gaststätte dieses Mittelgebirges.
Eigentlich nur eine Gaststube mit vier Tischen. Angeboten werden
Getränke und wenige kleine Gerichte. Ich genehmige mir eine
heiße Wurst mit Apfelwein, das muß jetzt einfach sein.
Die für 50 Cent zu genießende Aussicht vom Turm ist empfehlenswert.
Der Melibokus als Fast-Ende meiner Wanderung aber noch in weiter Ferne.
Länger darf ich mich daher nicht aufhalten.
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Der höchste Punkt der Tour: Der Kaiserturm auf der Neunkircher Höhe
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Um 15.55 Uhr beginne ich den Abstieg nach Gadernheim. Und gleich weiter
nach Reichenbach. Kurz vor dem Ort, noch im Wald, der Hohenstein,
ein beeindruckender Felsen. Er wird heutzutage als Kletterfelsen benutzt.
Und tatsächlich befinden sich hier einige "in der Wand",
von unten per Seil gesichert. Der tiefste Punkt von Reichenbach liegt
wieder mal auf nur noch 200 m. Quer durch den Ort, vorbei am Sportplatz,
erreiche ich den Parkplatz Felsenmeer. Hier beginnt die nächste
Attraktion.
Der Legende nach entstand das Felsenmeer durch den Streit zweier Riesen,
die sich mit Felsbrocken bewarfen. Der auf dem Felsberg wohnende Riese
verlor den Streit und wurde unter den Felsen begraben. In Wirklichkeit
wurden diese Felsen im Laufe von Jahrmillionen unter
Witterungseinflüssen vom Felsberg abgesprengt und haben sich in
einer länglichen, am Hang liegenden Mulde gesammelt. Hier liegen
sie noch heute.
Verschiedene Wege führen nach oben, wobei man an verschiedenen
Aussichtspunkten vorbeikommt. Man kann aber auch über die Felsen
klettern, was natürlich länger dauert. Ich nehme den normalen Weg,
der ebenfalls steil nach oben führt. Erwähnenswert der
Riesensessel, ein einzelner Fels, in den man wie bei vielen anderen
auch eine Bedeutung hineingedichtet hat. Anders die Riesensäule.
Diese wurde von Menschenhand bearbeitet, vermutlich von den Römern.
Der Gipfel des Felsbergs ist wenig attraktiv. Ein Parkplatz, ein Hotel
und ein Restaurant gibt es hier. Das Restaurant ist aber schon geschlossen,
es ist nach 18 Uhr. Der 27 m hohe Ohlyturm befindet sich auf dem
höchsten Punkt des Berges, auf 513 m Höhe, aber auch er
ist geschlossen. Ich lege eine letzte Pause ein, diesmal müssen
10 min reichen. Ein Hinweisschild gibt 5.7 km zum Melibokus und 10.5 km
nach Zwingenberg an. Eine weite Strecke, es wird langsam dunkel.
Das Felsenmeer: Zwei Riesen sollen es geschaffen haben
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Jetzt heißt es Tempo machen. Der Abstieg vom Felsberg führt
wieder durch Wald, langsam wird es schwieriger, die Wegweiser zu erkennen.
Ich komme aus dem Wald heraus, da liegt der Melibokus vor mir. Links von
seinem gleichförmigen Kegel scheint ein wenig Abendrot.
Einen halben oder ganzen Kilometer weiter verschwindet der Weg an seinem
Hang wieder im Wald. Der tiefste Punkt am Parkplatz "Schollrain" liegt auf
280 m Höhe.
Der Weg steigt zum Melibokus also wieder an. Im Wald wird es von der Sicht
her schwierig, doch bald komme ich auf eine Asphaltstraße, die sich
in Serpentinen nach oben windet. Die ist trotz der Dunkelheit noch gut zu
erkennen. Ständig raschelt es neben der Straße. Ich hoffe,
es sind nur Rehe und nicht etwa Wildschweine oder so etwas. Zu erkennen
ist rein gar nichts. Zum Glück ist dies der letzte Anstieg auf dieser
Tour. Auf einen fünften Berg hätte ich dann vermutlich
keine Lust mehr.
Oben ist es hell. Grund sind die militärischen Anlagen der US-Armee.
Ein Sendeturm mit roten und blauen Lichtern, das Gelände ist
eingezäunt und von Straßenlaternen umgeben. Ein kurzer Blick
auf die Karte, dann wird die Taschenlampe herausgeholt, und ohne Pause
folgt der Abstieg nach Zwingenberg. Es ist 19.15 Uhr.
Auf dem Weg ist es jetzt stockdunkel, ohne Taschenlampe wäre ich
verloren. Es geht nicht so schnell wie zuvor. Der Weg muss
ausgeleuchtet werden, um nicht über eine Wurzel oder einen Stein zu
stolpern. Und natürlich muss ich die Wegmarkierungen
suchen, die an den Bäumen angebracht sind.
Ich komme aus dem Wald heraus, und da liegt Zwingenberg vor bzw. unter mir.
Ein einziges Lichtermeer. Und nicht nur Zwingenberg, sondern die gesamte
Oberrheinische Tiefebene. Ein beeindruckendes Bild. Gerade so erkenne ich,
dass der Weg hier durch Weinberge führt, wieder ist es
asphaltiert und wieder serpentinenförmig. Ein letztes Mal durch
Wald, um 19.58 Uhr bin ich in Zwingenberg.
Der Zug fährt um 20.11 Uhr nach Frankfurt, aber wo ist der Bahnhof?
Zum Glück sind genügend Menschen auf der Straße.
Schnell jemanden gefragt, er ist direkt um die Ecke. Um 20.05 Uhr bin ich
am Bahnsteig, der Zug kommt, ich sinke ins Polster, das wars...!
Fazit
Eine Wanderung mit vielen Höhepunkten. Michelstadt, Neunkircher
Höhe, Felsenmeer, Melibokus. Leider blieb auf dem Weg wenig Zeit,
sich länger aufzuhalten. Das lag an der Jahreszeit im Oktober.
Zwei Stunden länger Zeit, und es wäre perfekt gewesen.
Meine Empfehlung: Die Wanderung früher im Jahr machen, dann ist es
länger hell. Und ggf. einfach früher losgehen, wenn es sich
machen lässt. Und vielleicht sollte man auch den Morsberg
aus dem Programm nehmen.
Statistik
Gesamtstrecke | 46.9 km |
Anstieg gesamt | 1409 m |
Reine Laufzeit | 9:15 h |
Durchschnittsgeschwindigkeit | 5.07 km/h |
Pausen gesamt | 65 min |
Profil