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Zypern: Geteilte Hauptstadt Nikosia
Text und Fotos: Eckart Winkler, Bad Nauheim, http://www.eckart-winkler.de
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Allgemeine und touristische Informationen zu Zypern

 

Das Zypern-Problem - Teilung des Landes seit 1974 - Tagesausflug in den von den Türken besetzten Nordteil der Hauptstadt - Flüchtige Eindrücke aus einer selten besuchten Stadt

Dauer: Einen Tag


Der Bericht

Unseren zweiten Tag in der Hauptstadt Nikosia wollen wir verbringen. Mit dem Touristen-Bus fahren wir von unserem Hotel nahe Larnaca in die Innenstadt, von dort geht es wiederum per Bus in die Hauptstadt Nikosia, wo wir gegen 10 Uhr eintreffen.

Wir möchten in den Nordteil der Stadt, und hierzu ist zunächst einiges zu sagen. Nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung ist Nikosia die einzige geteilte Hauptstadt der Welt, so steht es auf Erläuterungstafeln in der Stadt geschrieben. Und in der Tat, eine andere fällt uns nicht ein.

Die ehemalige britische Kronkolonie Zypern erlangte 1960 ihre Unabhängigkeit, Erzbischof Makarios wurde mit großer Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Schnell wurde das Land Mitglied der Vereinten Nationen und des Europarates. Zwei streng abgeschottete Militärbasen der Briten wurden gebildet, und zwar Akrotiri westlich von Limassol und Dekeleia im Südosten.

Der Tatsache, daß die Bevölkerung aus zwei ethnischen Gruppen bestand, und zwar Griechen und Türken, wurde insoweit Rechnung getragen, als die Zusammensetzung des Ministerrats, des Parlaments oder der Armee genau in der Verfassung festgelegt war. Zum Beispiel sollte das Parlament aus 70% Griechen und 30% Türken bestehen. Es folgte ein wirtschaftlicher Aufschwung, und alles schien positiv zu verlaufen.

Im Nordteil von Nikosia
Straßenbild Fußgängerzone
Typisches Straßenbild:
Viel müßte getan werden
Kleinstädtisch mutet die
Fußgängerzone an

Allerdings kam es schon bald zu Differenzen zwischen den beiden Volksgruppen, weil sie sich von der Regierung eben doch nicht angemessen vertreten fühlten oder weil die in der Verfassung festgelegten Zusammensetzungen nicht den wahren Verhältnissen der Bevölkerungsgruppen entsprach (81% Griechen, 19% Türken). Bereits im Dezember 1963 kam es in Nikosia zu Kämpfen. UN-Truppen kamen auf die Insel, um den vereinbarten Waffenstillstand zu überwachen. Zunächst war eine Dauer von 3 Monaten geplant. Sie sind heute immer noch da.

Bereits zu dieser Zeit wurde die "Green Line" zwischen den überwiegend von Griechen und den überwiegend von Türken bewohnten Stadtteilen von Nikosia eingerichtet. Anders als in Berlin baute man aber keine Mauer. Sowohl Türken als auch Griechen verließen ihre Heimatdörfer, um in den türkischen Norden bzw. den griechischen Süden umzusiedeln. Obwohl in der Folgezeit keine größeren Kämpfe zu verzeichnen waren, rüsteten beide Seiten auf, unterstützt durch die jeweilige "Mutternation".

10 Jahre lang kam man zu keinem Ergebnis. Sogar versuchte die griechische Armee, die Insel für ihr Land zu vereinnahmen. Dies rief schließlich die türkische Armee auf den Plan, die 1974 einmarschierte und den Nordteil Zyperns besetzte. Die Flüchtlingsströme wurden größer als je zuvor. 145000 Menschen verließen den Norden, 60000 den Süden. Und so ist Zypern seit diesem Zeitpunkt ein geteiltes Land und Nikosia eine geteilte Hauptstadt.

Der Süden, also die Republik Zypern, umfaßt 5896 qkm, der Norden, also die Türkische Republik Nordzypern, 3355 qkm. Im Süden leben 750 000 Einwohner, im Norden sind es 200 000. Interessant ist der politische Status. Während die Republik Zypern im Süden die Nachfolge der 1960 gegründeten Republik angetreten hat und somit in den Vereinten Nationen und dem Europarat Mitglied ist, sieht sich die Türkische Republik Nordzypern als souveräner Staat, der allerdings auf der ganzen Welt nur von der Türkei als solcher anerkannt ist.
Arabahmet-Moschee
Im typisch türkischen Stil wurde
die Arabahmet-Moschee erbaut


Unser erster Weg in Nikosia führt uns zur Tourist Information (noch im griechischen Süd-Teil). Dies wird in unserem Reiseführer empfohlen, um uns aktuelle Informationen über unsere Unternehmung einzuholen. Es heißt, ein solcher Ausflug ist zur Zeit problemlos möglich. Wir erhalten ein paar Ratschläge, wie wir uns zu verhalten haben. So dürfen wir uns keinesfalls einen Stempel in den Paß geben lassen, auch sollen wir im Norden nichts einkaufen. Interessant ist auch die Sprechweise. Auf allen Karten, die man bekommen kann, wird der Norden bezeichnet als "Area inaccessible because of the Turkish Occupation". Die Dame am Schalter scheint auch gar nicht so begeistert zu sein, daß wir dorthin möchten.

Der Übertritt über die Green Line ist nur an einem einzigen Punkt möglich, der ist im Westen der Altstadt, nicht weit vom Paphos-Tor. Zunächst die griechische Kontrolle. Wir müssen einen Fragebogen ausfüllen, es werden alle Daten aus den Reisepässen notiert. Noch einmal sagt man uns, daß wir uns keinen Stempel in den Paß geben lassen sollen. Und außerdem, daß wir spätestens um 17 Uhr wieder ausreisen müssen, sonst dürfen wir nicht mehr zurück. Auch nicht am nächsten Tag.

Ein zeitintensiver und teurer Ausflug wäre das dann. Denn wir müßten auf anderem Wege ausreisen, am einfachsten in die Türkei. Und von dort offiziell wieder in die Republik Zypern. Eine ziemlich Schikane, für die aber, wie wir hören, die griechischen Zyprioten verantwortlich sind. Die Türken würden uns schon gehen lassen.

Wir durchlaufen das Niemandsland, UN-Soldaten halten Wache. Irgendwie kommt so eine Art Berlin-Gefühl auf. Die Gebäude, an denen wir hier vorbeigehen, sind zerfallen oder kurz davor. Der Weg, den wir zu gehen haben, eine Schneise durch die Trümmer. Ein früheres Hotel wird von den UN-Truppen offenbar als Hauptquartier benutzt. Fotografieren ist wie an allen Grenzübergängen und militärischen Anlagen verboten.
Selimiye-Moschee
Eine seltsame Stil-Mixtur stellt die
Selimiye-Moschee dar


Dann die türkische Kontrolle: Zunächst werden die Pässe inspiziert, wieder werden alle Daten notiert, und wir werden in das "Immigration Office" geschickt. Dort müssen wir wieder ein Formular ausfüllen und außerdem rund 6 Euro pro Person bezahlen (in zypriotischen Pfund). Der Beamte macht keinen Versuch, uns mit einem Stempel im Paß zu beglücken. Dann sind wir endlich durch und können losgehen. Ein Taxifahrer spricht uns an und möchte uns zu einem Ausflug überreden. Das ist uns angesichts der Tatsache, daß wir pünktlich zurück sein müssen, aber viel zu gefährlich. Wenn der nun plötzlich auf der Rückfahrt eine Panne bekommt. Gut, er würde vermutlich einen guten Freund in der Nähe kennen und sich einen Ersatzwagen leihen können. Aber sicher nur für teures Geld. Diese Tricks kennt man ja aus der ganzen Welt.

Wir betreten also den türkischen Teil Nikosias zu Fuß. Erster Eindruck: Alles ist ein paar Klassen ärmlicher. Zwar scheinen die Gebäude in unmittbarer Nähe der Green Line auch im Süden nicht zum besten bestellt, hier im Norden setzt es sich aber so fort. Wir besichtigen die Arabahmet-Moschee aus dem 17.Jhdt. Sie ist im typisch türkischen Stil erbaut, klein aber fein. Innen halten ein paar Frauen Koran-Unterricht. Eine Haarsträhne Mohammeds soll hier aufbewahrt sein, wir sehen sie aber nicht.

Es gibt immerhin eine kleine Fußgängerzone. Diese bestärkt aber unseren ersten Eindruck. Viel zu kaufen gibt es nicht. Sicher, die Grundbedürfnisse lassen sich decken, das war es aber schon fast. Zweimal werden wir angesprochen, aber wir dürfen ja nichts kaufen. Türkisches Geld haben wir ohnehin nicht. Man bezahlt hier mit der türkischen Lira.

Am Ende der Fußgängerzone ein Gebäude, das man einfach gesehen haben muß. Es ist die Selimiye-Moschee. Sie sieht eigentlich wie eine Kirche aus, verfügt aber über zwei türkische Minarette. Und in der Tat wurde sie im 13.Jhdt. als Kathedrale Agia Sofia gebaut und von den Türken 1570 in eine Moschee umgewandelt. Damit hatte man natürlich seine Probleme, denn Moscheen werden normalerweise in Richtung nach Mekka gebaut, das war bei der Kathedrale nicht der Fall. Und so sind im Inneren die Gebetsnische, die Kanzel und andere Dinge schräg eingebaut. Auch das sollte man sich keinesfalls entgehen lassen. Obwohl die Selimiye-Moschee in Benutzung ist, bietet sie von außen teilweise einen erbarmungswürdigen Anblick. Einige Gebäudeteile scheinen kurz vor dem Zusammenfallen zu sein.
Büyük Han
Der Büyük Han, die alte Karawanserei,
wird gerade restauriert


Als wir aus dem Gebäude herauskommen, treffen wir auf zwei Deutsche, die sich auch gerade zur Besichtigung der Moschee-Kathedrale entschlossen haben. Das Interessante dabei: Sie haben ihren Urlaub nicht im Süden, sondern im Norden der Insel gebucht. Ja, auch das ist möglich. Jahr für Jahr verbringen knapp eine halbe Million Menschen ihren Urlaub im nördlichen Teil Zyperns. 80% stammen allerdings aus der Türkei. Als Nicht-Türke zählt man also wirklich zu den Exoten. Wer nach Nord-Zypern einreist, hat auch nicht die Möglichkeit, den Süden zu besuchen. Tagesausflüge, aus dem Süden kommend, bedeuten die einzige Ausnahme, die die griechischen Zyprioten zulassen.

Nicht weit befindet sich die Sultan-Mahamut-Bibliothek, die eine große Sammlung islamischer Manuskripte enthalten soll. Der achteckige Kuppelbau ist allerdings geschlossen. Die Haydarpasa-Moschee ein paar Schritte weiter ist ebenso merkwürdig wie die Selimiye-Moschee aus einer Kirche entstanden. Selbst der überdachte Basar soll eine Kirche gewesen sein, was wir aber nicht nachvollziehen können.

Eine positive Überraschung dann zwei alte Karawansereien. Zum einen der Büyük Han (=große Karawanserei), der wird gerade renoviert. Ein zweistöckiges rechteckiges Gebäude mit einem riesigen Innenhof. Von innen sind die einzelnen Gebäudeteile zugänglich. Unten Stallungen und Vorratsräume, oben Wohnräume. So war allen Bedürfnissen durchreisender Händler Genüge getan. In der Mitte des Hofes eine kleine Moschee auf Säulen über einem Brunnen. Der Büyük Han wurde 1572 erbaut und diente seit Ende des 19.Jhdts. für ein paar Jahrzehnte als Gefängnis. Nach Abschluß der Renovierungsarbeiten soll er Museum werden.
Atatürk-Platz
Der Atatürk-Platz wird von seinem Namensgeber überragt


Wesentlich kleiner ist der Kumarcilar Han aus dem 17.Jhdt. Er ist bereits fertig renoviert, enthält jetzt aber ein Ministerium. Daher kann man auch nur einen kurzen Blick in den Innenhof werfen. Dann kommen wir noch am Büyük Hamam vorbei, dem türkischen Bad. Es stammt aus dem 14.Jhdt. und wird noch heute genutzt.

Eine Art Treffpunkt von Menschen aller Art ist der Atatürk-Platz. Dies soll schon vor der Teilung von Stadt und Land so gewesen sein. Groß erscheint Atatürks Bildnis an einem Gebäude hoch oben angebracht. Die Verehrung des Gründers der modernen Türkei also auch hier. In der Mitte des Platzes steht die "Venezianische Säule". Sie stammt in Wirklichkeit aus Salamis, ist also griechisch. Sie heißt nur so, weil die Venezianer sie hierhergebracht haben.

Dann der Rückweg. Das Kyrenia-Tor war ursprünglich Teil der Stadtmauer. Diese ist hier aber zugunsten zusätzlicher Fahrspuren durchbrochen. Entlang der Mauer gehen wir langsam zurück, denn wir dürfen ja nur bis 17 Uhr bleiben. Zum Glück gibt es bei den Kontrollen nichts zu beanstanden. Um 17.45 Uhr nehmen wir den Bus zurück nach Larnaca, wo wir fahrplanmäßig eintreffen.


Fazit

Sicher ist dies kein Ausflug, den der Durchschnitts-Tourist macht. Sicher ist es auch nicht möglich, mehr als ein paar flüchtige Eindrücke mitzunehmen. Daß dieses, nur von der Türkei anerkannte Land einen wesentlich niedrigeren Lebensstandard hat, ist offensichtlich. Dies läßt sich auch durch Zahlen belegen: Das Bruttosozialprodukt pro Einwohner liegt im Süden der Insel etwa dreimal so hoch.

Woran das im einzelnen liegt, ist schwer festzustellen. Sicher hat sich der Süden so entwickelt, wie man es 1960 für die gesamte Insel erhofft hat. Was den Tourismus betrifft, so hat der Süden vermutlich von den Ereignissen sogar profitiert. Denn internationaler Tourismus, der wirklich Geld in die Kassen bringt, findet fast ausschließlich im Süden statt. Und dies bedeutet einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor für das Land.

Auf jeden Fall geht man ein bißchen nachdenklich zurück über die Green Line. Etwas ist hier falsch gelaufen, es dauert an, aber man kann nichts tun.

 

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